Coronavirus/ COVID-19 und Stillen: Aktuelle internationale Empfehlungen
Anlage zu mehreren EISL-Newslettern 2020/ 2021/ 2022
Letzte Aktualisierung: 28.11.2022, erste Version des Artikels: 04.03.2020
Glossar:
SARS-CoV2: der Erreger der aktuellen Pandemie (häufig einfach als "Coronavirus" bezeichnet, allerdings genaugenommen ein Virus, das, wie schon andere Viren zuvor, aus der Familie der Coronaviren stammt)
COVID-19: die Erkrankung, die durch Infektion mit SARS-CoV2 entsteht
Das wichtigste in Kürze:
- Infizierte Mütter bemühen sich, durch Hygienemaßnahmen im Kontakt mit dem Baby die Übertragung zu verhindern, stillen aber ansonsten normal weiter (keine Übertragung durch die Muttermilch)
- Unmittelbar nach der Geburt weiterhin Hautkontakt und Stillbeginn wie sonst auch, unter Hygienemaßnahmen (Maske etc.)
- Wenn die Mutter zu krank ist, um das Baby zu versorgen, kann Muttermilch abgepumpt und ohne Einschränkungen verabreicht werden
- Schwangere und Stillende sollen laut Empfehlungen der deutschsprachigen Fachgesellschaften und Impfkommissionen geimpft werden, insbesondere da sie eine Risikogruppe für einen schweren Verlauf bilden, wenn sie sich infizieren
- Erste Daten zeigen, dass Frauen mit Impfschutz die Antikörper über die Plazenta sowie die Muttermilch weitergeben und damit auch das Kind indirekt schützen
Direkt zum Abschnitt → Infektion/ Erkrankung: Zusammenfassung der derzeitigen Empfehlungen
Direkt zum Abschnitt → Impfung: Zusammenfassung der derzeitigen Empfehlungen
Die weltweite Pandemie hat auch in den deutschsprachigen Ländern zu großen Veränderungen unseres Alltags geführt. Als medizinisches Fachpersonal begleiten wir auch Schwangere oder Stillende, die an COVID-19 erkrankt sind oder die als Verdachtsfall/Kontaktperson eingestuft werden.
Zum Schutz des medizinischen Betreuungspersonals soll der Kontakt mit unter Verdacht stehenden oder sicher infizierten Schwangeren und Stillenden nach Maßgabe der aktuellen Empfehlungen für die Betreuung solcher Patienten erfolgen (Schutzkleidung, Isolierzimmer etc.) – informieren Sie sich dazu z.B. beim → Robert-Koch-Institut (RKI) in Deutschland oder beim US-amerikanischen → Center for Disease Control (CDC).
In diesem Artikel, der regelmäßig aktualisiert wird, fassen wir den aktuellen Stand der Empfehlungen international anerkannter Gremien auf deutsch zusammen und listen relevante Quellen auf, die Ihnen für tiefergehende Informationen zur Verfügung stehen.
Infektion/ Erkrankung: Zusammenfassung der derzeitigen Empfehlungen
Quellen für die folgende Zusammenfassung:
Stillende Frauen (nach den ersten Tagen)
Bisher sind weltweit nur sehr wenige Einzelfälle beschrieben, in denen Bestandteile des Erregers in Muttermilch gefunden wurde. In allen Fällen handelte es sich nicht um Erreger, die das Potenzial zur Vermehrung und Infektion einer anderen Person hatten, eine Übertragung durch das Stillen gilt weiterhin als unwahrscheinlich. Die Übertragung von SARS-CoV2 im direkten zwischenmenschlichen Kontakt erfolgt vorrangig über Tröpfchen und Aerosole.
Hingegen wurde in Muttermilch eine hohe Zahl an Antikörpern bei/nach Infektion der Mutter gefunden, teilweise früher und in deutlicherer Konzentration als im Serum. Daher stellt ein Weiterstillen höchstwahrscheinlich sogar einen aktiven Infektionsschutz für das gestillte Kind dar.
Eine bereits stillende Mutter, die sich mit SARS-CoV2 infiziert, sollte Maßnahmen treffen, um eine Übertragung auf ihr Kind zu vermeiden, ohne das Stillen zu beenden. Dazu gehört:
• gründliches Händewaschen/ Desinfizieren vor und nach dem Stillen sowie vor und nach jedem Kontakt zum Kind
• Tragen eines geeigneten Mundschutzes bei jedem Kontakt mit dem Kind
Ein Weiterstillen ist möglich. Sofern sich die Mutter gesundheitlich nicht dazu in der Lage fühlt, kann sie Muttermilch abpumpen und diese kann durch eine gesunde Betreuungsperson ohne Einschränkung verfüttert werden.
Wenn die Mutter Milch abpumpt, ist auf intensive Handhygiene zu achten, Gefäße und Pump-Sets sollten nach jedem Gebrauch sterilisiert werden.
Schwangere und Peripartum-Management
Eine Übertragung durch die infizierte Schwangere auf das ungeborene Kind im Mutterleib ist eventuell möglich aber sehr unwahrscheinlich. Schwangere scheinen im Grundsatz nicht häufiger von der Infektion betroffen zu sein als andere Bevölkerungsteile in vergleichbarem Alter und Gesundheitszustand. Schwangere haben häufig einen asymptomatischen Verlauf, wenn sie jedoch Symptome entwickeln, liegt ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe vor, insbesondere bei Vorliegen von sonstigen Risikofaktoren.
Der Geburtsmodus sollte unabhängig von einer SARS-CoV2-Infektion anhand geburtshilflicher Indikationen und dem Wunsch der Frau individuell festgelegt werden. WHO und die deutschsprachigen Fachgesellschaften empfehlen, eine Sectio nur durchzuführen, wenn dies medizinisch notwendig ist, z.B. bedingt durch den Gesundheitszustand der Mutter.
Die internationalen Empfehlungen zu einer potentiellen Mutter-Kind-Trennung bei einer Infektion der Mutter sind weitgehend im Konsens: das Kind sollte gemeinsam mit der Mutter isoliert und im Rooming-In verbleiben, sofern es der Gesundheitszustand der Mutter zulässt. Mütter sollen direkt nach der Entbindung uneingeschränkt den Haut-zu-Haut-Kontakt mit ihrem Kind durchführen und mit dem Stillen beginnen, während sie sorgfältig alle notwendigen Hygiene-Maßnahmen beachten, um die Ansteckungsgefahr für das Kind zu minimieren. Dazu sollte bei jedem Kontakt zum Kind ein Mund-Nase-Schutz getragen und gute Handhygiene betrieben werden.
Die deutschsprachigen Fachgesellschaften raten zu uneingeschränktem Haut-zu-Haut-Kontakt, bei Vermeidung von Schleimhaut-Austausch ("Streicheln ja, Küssen nein").
Neugeborene von infizierten Müttern sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht gesundheitlich gefährdeter als andere Kinder. Sofern sie sich tatsächlich mit SARS-CoV2 infizieren, ist der Krankheits-Verlauf in nahezu allen Fällen mild.
Eine Trennung von Mutter und Kind scheint das Übertragungsrisiko nicht zu verringern. Sollte eine Trennung wegen des Gesundheitszustands der Mutter notwendig sein, ist gut zu überlegen, wo und durch wen das Neugeborene betreut werden kann.
Nachdem Muttermilch nicht als wahrscheinlicher Überträger des Virus gilt, kann die Mutter bei einer Trennung ihre Muttermilch abpumpen und die Milch kann dem Baby uneingeschränkt gegeben werden. Beim Abpumpen sind besondere Hygienemaßnahmen zu beachten (s.o.).
Impfung: Zusammenfassung der derzeitigen Empfehlungen
Quellen für die folgende Zusammenfassung:
Die Datenlage für die Impfung von Schwangeren und Stillenden ist in der Zwischenzeit gut unterfüttert, da bereits eine große Zahl an Schwangeren und stillenden Frauen weltweit geimpft wurde.
Die internationalen Fachgesellschaften sind sich einig:
• Schwangere und Stillende sollten uneingeschränkt geimpft werden. Insbesondere Schwangere zählen zur Risikogruppe für einen schweren Verlauf im Fall einer Infektion und sollten daher sowohl durch eigene Impfung als auch durch ihr Umfeld geschützt werden. Auffrischungs- und Booster-Impfungen sollten ebenfalls durchgeführt werden, insbesondere für Schwangere ist dies empfohlen.
• Es gibt Hinweise darauf, dass die Immunreaktion der Mutter auch das Ungeborene sowie das gestillte Kind schützt, indem Antikörper über die Plazenta und über die Muttermilch an das Kind weitergegeben werden.
Impf-mRNA in Muttermilch?
Nachdem eine Studie im September 2022 nachgewiesen hat, dass in einigen Muttermilchproben nach einer SarsCoV2-Impfung mRNA-Spuren der Impfstoffe vorhanden sein können, kam es zu einiger Verunsicherung unter jungen Familien und auch Fachkräften. Tatsächlich raten die Autor:innen der Studie ausdrücklich zum Weiterstillen, empfehlen jedoch "vorsichthalber" eine Stillpause von 48 Stunden nach der Impfung für Säuglinge unter 6 Monaten.
Namhafte Expert:innen und Fachgesellschaften haben sich zu Wort gemeldet und erläutert, dass mRNA-Impfstoff grundsätzlich über die Blutbahn in den Körper gelangen muss, um dort eine Wirkung zu entfalten (andernfalls könnten wir die Imfpung auch einfach als Schluck-Impfung verabreichen, was jedoch nicht funktioniert). Selbst wenn also die Muttermilch einer Mutter nach der Impfung Spuren der Impf-mRNA enthalten sollte, gelangen diese über den Magen-Darm-Trakt (und eben nicht intravenös) zum stillenden Säugling, wo sie innerhalb kürzester Zeit abgebaut werden.
Solange nicht gesichert bewiesen ist, dass die mRNA-Spuren in der Muttermilch in irgendeiner Form Schaden anrichten können, ist jegliche Empfehlung zu einer Stillpause oder gar dem Abstillen aufgrund der Impfung mit einem deutlich höheren Risiko als das Weiterstillen behaftet und sollte daher nicht leichtfertig empfohlen werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand wird das uneingeschränkte Weiterstillen nach der Impfung klar empfohlen.
Es werden noch einige offizielle Statements dazu von den internationalen Fachgesellschaften erwartet, die wir hier in die Quellenliste mit aufnehmen, sobald sie veröffentlicht wurden.
© März, April, Mai, Juni, Juli und Oktober 2020, Januar, Februar, April, Juli, September und November 2021, November 2022; Anja Bier (IBCLC)
und das EISL-Newsletter-Team: Natalie Groiss, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC; Gudrun von der Ohe, IBCLC