Muttermilch für Frühchen: Immunologie und Gehirnwachstum
Anlage zum Newsletter Juni 2016
Levels of innate immune factors in preterm and term mothers’ breast milk during the 1st month postpartum
Stephanie Trend et al. British Journal of Nutrition 2016, 115, pp 1178-1193. doi:10.1017/S0007114516000234
Muttermilch wurde in den letzten Jahren intensiv erforscht und die Forschung gewinnt stetig neue Erkenntnisse über ihre Inhaltsstoffe und ihre Wirkung auf den menschlichen Organismus. Ein australisches Team, dem u.a. die renommierte Forscherin Donna Geddes angehört, hat sich nun mit Preterm-Milch befasst, der speziellen Muttermilch, die Mütter für ihr Frühgeborenes bilden. Bislang gibt es zur Preterm-Milch vor allem Erkenntnisse über die spezielle Zusammensetzung der Nährstoffe, die von der Muttermilch für reifgeborene Kinder abweicht.
Das australische Forscherteam hat sich nun speziell mit den immunologischen Inhaltsstoffen von Preterm-Milch beschäftigt. Dazu wurde Kolostrum, Transitorische Milch und Reife Muttermilch von Müttern gesammelt. Darunter waren Mütter mit Extrem-Frühchen (< 28. Woche), sehr früh Geborenen (28. – 32. Woche), Frühgeborenen (32. – 37. Woche) und reifgeborenen Kindern (37. – 41. Woche) (Anmerkung der Redaktion: diese Einteilung entspricht nicht der sonst üblichen Einteilung und den üblichen Bezeichnungen, die wir verwenden. Sie muss als zweckmäßige Einteilung für diese spezielle Studie betrachtet werden). Eine Vielzahl von Immunfaktoren (z.B. Lactoferrin, sIgA, Lysozym sowie weitere 10 Faktoren) wurden in jeder Probe quantitativ erfasst und in den Kontext des Gestationsalters und des Stadiums der Laktation gesetzt. Weitere Faktoren wie Geburtsmodus, Parität der Mutter, gewonnene Milchmenge und mütterliche Infektionen wurden berücksichtigt.
Es zeigte sich, dass Preterm-Milch im Vergleich zu Muttermilch von später geborenen Kindern signifikant erhöhte Konzentrationen von bestimmten Immunfaktoren aufwies, unter anderem Lysozym.
Das Abstract der Studie (englisch) ist → hier nachzulesen, ein erläuternder Artikel (englisch) → hier.
Effects of breast milk consumption in the first month of life on early brain development in premature infants Reynolds E et al. PAS 2016; Abstract 4605.2.
Eine Studie aus den USA hat sich mit der Gehirnentwicklung von sehr früh geborenen Kindern (Geburt < 27. Woche) beschäftigt. Die Studie, die momentan noch unveröffentlicht ist, wurde auf dem jährlichen Kongress der Pediatric Academic Societies in Baltimore vorgestellt und hat bereits für einige Medienberichte gesorgt.
Die Forscher um Erin Reynolds erfassten per MRI, dass die Gehirne der Frühgeborenen zum Zeitpunkt ihres ursprünglich errechneten Geburtstermins größer und ausdifferenzierter waren, je mehr Muttermilch sie in den Wochen zuvor erhalten hatten. Dabei wurde nicht unterschieden zwischen Kindern, die Muttermilch der eigenen Mutter und Kindern, die gespendete Frauenmilch erhalten hatten.
Ob sich die im MRI gezeigten Veränderungen auch tatsächlich in der kognitiven und sonstigen Entwicklung der Kinder niederschlägt, lässt sich derzeit nicht sagen, auch wenn frühere Studien einen Zusammenhang zwischen Gehirnwachstum und kognitiver Entwicklung herstellen konnten. Die Probanden der aktuellen Studie sollen nun noch im gesamten 1. Lebensjahr begleitet werden, um die motorische, kognitive und soziale Entwicklung der Kinder zu verfolgen.
Das für die Konferenz eingereichte Abstract (englisch) ist → hier nachzulesen. Verschiedene Artikel dazu (englisch) finden sich → hier und → hier. Auch die deutsche Presse hat das Thema bereits aufgegriffen, z.B. → hier.
© Juni 2016, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation