ABM-Protokoll Nr. 17 aktualisiert: Stillen von Kindern mit Lippenspalte, Gaumenspalte oder LKG-Spalte
Anlage zum Newsletter Oktober 2019
ABM Clinical Protocol #17: Guidelines for Breastfeeding Infants with Cleft Lip, Cleft Palate, or Cleft Lip and Palate – Revised 2019
Boyce Jessica, Reilly Sheena, Skeat Jemma, Cahir Petrea and the Academy of Breastfeeding Medicine. Breastfeeding Medicine, Volume 14, Number 7, 2019. https://doi.org/10.1089/bfm.2019.29132.job
Die Protokolle der ABM gelten weltweit als klinische Leitlinien und Empfehlungen für evidenzbasiertes Vorgehen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Sie werden in regelmäßigen Abständen überprüft und aktualisiert.
Vor kurzem wurde das Protokoll Nr. 17 überarbeitet, das Empfehlungen beim Stillen von Kindern mit Lippenspalte, Gaumenspalte oder Lippen-Kiefer-Gaumenspalte (LKG-Spalte) beinhaltet.
Die Überarbeitung brachte keine wesentlichen Änderungen gegenüber der letzten Version von 2013. Das neue Protokoll bestätigt weiterhin die bisherigen Empfehlungen, die jedoch genauer ausgeführt und zum Teil durch Zeichnungen und Grafiken ergänzt wurden.
Zu Beginn werden im Protokoll die unterschiedlichen Formen von isolierten oder zugleich vorkommenden Formen der LKG-Spalte beschrieben.
Ob ein Baby mit einer solchen Besonderheit erfolgreich gestillt werden kann, hängt von mehreren Faktoren ab, grundsätzlich ist der Stillerfolg bei weniger komplexen Fehlbildungen (z.B. isolierte Lippenspalte) wahrscheinlicher.
Das Protokoll erwähnt ausdrücklich die Wichtigkeit, betroffene Eltern über die schützenden Vorteile des Stillens und die Ernährung mit Muttermilch zu informieren. Dabei steht für diese Kinder besonders der Schutz vor Otitis-Media-Infektionen und die bessere Orofaziale Entwicklung im Vordergrund. Auch wenn die Ernährung nicht allein über das Saugen an der Brust abgedeckt werden sollte, bietet das Stillen für das Kind eine wichtige Möglichkeit der Entwicklungsförderung, darüber hinaus wird die Bindung zwischen Mutter und Kind gestärkt, was bei Kindern mit einer angeborenen Deformation eine besonders große Bedeutung hat.
Mütter sollten nach Möglichkeit bereits vorgeburtlich über die Möglichkeit der Handentleerung, Pumpmanagement und Lagerung von Muttermilch informiert werden.
Bei optimierter Anlegetechnik kann das Kind in einigen Fällen sogar besser von der Brust als von der Flasche trinken, da beispielsweise die Lippenspalte vom weichen Brustgewebe besser abgedeckt werden kann als beim Saugen an einem künstlichen Sauger.
Sollten Flaschensauger zur Ernährung eingesetzt werden, so empfiehlt das Protokoll bei kurz- und langfristigem Gebrauch nur jene speziellen Sauger, bei denen der Milchfluss erleichtert ist und durch den Erwachsenen reguliert werden kann.
Beim Stillen selbst ist oft die Position des Kindes entscheidend, meist sind halb-aufrechte oder aufrechte Positionen des Kindes empfehlenswert. Isolierte Lippenspalten können eventuell von der Mutter während des Stillens mit einem Finger abgedeckt werden, bei Kieferspalten kann es sinnvoll sein, die Brust im Mund des Kindes so zu platzieren, dass die Mamille nicht in die Spalte gezogen wird. In vielen Fällen wird die Mutter während des Stillens das Kinn und die Wangen des Kindes zusätzlich stützen (z.B. mit dem DanCer-Hold) und/oder sie wird durch Brustkompression und Massieren der Brust während des Stillens den Milchfluss für das Kind erleichtern.
Der operative Verschluss von Lippen oder Gaumen wird in der Regel getrennt voneinander erst einige Monate nach der Geburt durchgeführt. Bis dahin kommen häufig Platten zum Einsatz, die die Spalte verschließen und eventuell auf die bevorstehende Operation vorbereiten. Das Protokoll verdeutlicht, dass der Einsatz einer Platte den Erfolg des Saugens an Brust oder Flasche nicht wesentlich beeinflusst.
Nach der Operation sollte das Stillen so bald wie möglich wieder aufgenommen werden, wenn möglich sofort, sonst spätestens 24h nach der Operation.
Bislang beruhen die meisten Aussagen des Protokolls auf Expertenmeinungen und Fallberichten, weil Studien im größeren Umfang und unter kontrollierten Bedingungen noch fehlen. Die Lippen-Kiefer-Gaumen Spalte ist eine komplexe Fehlbildung, bei der jeder Fall individuelle Betrachtung und Vorgehensweise erfordert. Eltern, die mit dieser Erkrankung konfrontiert sind, benötigen intensive Begleitung durch Expertinnen auf diesem Gebiet, insbesondere für den Stillerfolg ist der Kontakt zu einer erfahrenen IBCLC von großer Bedeutung.
Das vollständige Protokoll ist bisher nur auf Englisch → hier nachzulesen, Übersetzungen erfolgen vermutlich in den nächsten Monaten.
© Oktober 2019, Natalie Groiss (IBCLC) und Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation