Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Aktuelle WHO-Empfehlung zu Beikost und Kleinkindernährung

Anlage zum EISL-Newsletter Dezember 2023

WHO Guideline for complementary feeding of infants and young children 6–23 months of age
Geneva: World Health Organization; 2023. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO. https://www.who.int/publications/i/item/9789240081864

Das wichtigste in Kürze:

  • Seit vielen Jahren empfiehlt die WHO (Weltgesundheitsorganisation) die Beikost-Einführung mit ungefähr 6 Monaten, das Weiterstillen auch ins zweite Lebensjahr und darüber hinaus, sowie eine Vielfalt an gesunden Lebensmitteln in Form von Beikost.
  • Diese Empfehlungen wurden nun überarbeitet und ergänzt und in einer wissenschaftlich fundierten Leitlinie ausführlich erläutert. Die Kernpunkte der Aussagen haben sich dabei nicht verändert.
  • Zur Erstellung der Leitlinie führte die WHO mehrere eigene Reviews und Meta-Analysen durch. Es zeigte sich, dass für Stillkinder im Beikost- und Kleinkindalter bisher an vielen Stellen nur wenige qualitativ hochwertige Evidenzen zur Verfügung stehen – hier besteht weiterer Forschungsbedarf.

Seit rund 15 Jahren wurden in vielen westlichen Ländern (auch in D, Ö und der Schweiz) nationale Empfehlungen zur Einführung von Beikost entwickelt und umgesetzt. Teilweise wichen diese von den internationalen Empfehlungen der WHO ab, die schon seit langer Zeit unverändert zur Einführung von Beikost mit ungefähr 6 Monaten rät. Als Reaktion auf die nationalen Empfehlungen wurden 2019 die WHO-Empfehlungen durch ein Forschungsteam überprüft (lesen Sie dazu unseren → Artikel von 07/2019) und erneut bestätigt.

Nun hat die WHO eine umfangreiche Leitlinie zum Thema Beikosteinführung und Kleinkindernährung herausgegeben, die die bekannten Kernpunkte nochmals betont und um einige Details ergänzt. Wir stellen Ihnen im Folgenden einige relevante Passagen vor:

Weiterstillen
Unverändert empfiehlt die WHO, bei Einführung von Beikost weiterzustillen, bis zum zweiten Geburstag oder darüber hinaus. Es wird gleichzeitig betont, dass zur Umsetzung dieses Ziels Unterstützung für stillende Mütter und Familien notwendig ist, z.B. durch Gesetzgebung, die das Stillen mit der Arbeitswelt vereinbar macht, durch Stillberatung und Still-Information sowie den Schutz vor irreführender Werbung oder anderen Marketingpraktiken der Formula- und Beikost-Industrie.

Kuh-/Tiermilch und Formula-Milch
Für das zweite Lebens-Halbjahr empfiehlt die WHO, dass Kuh-/Tiermilch für gestillte Kinder Bestandteil einer vielfältigen Beikost sein sollte.
Für nicht-gestillte Kinder wird die Verwendung einer Tiermilch oder einer Formula-Nahrung als Ersatz zu Muttermilch klar empfohlen. Milch bietet für diese Gruppe von Kindern wichtige Nährstoffe und schützt im weltweiten Kontext vor Unterernährung und Mangelerscheinungen. Im Grundsatz unterscheidet die WHO dabei zunächst nicht zwischen "normaler" Tiermilch (z.B. Kuhmilch aus dem Kühlregal) und altersentsprechender Formulanahrung. Allerdings beschreibt die Leitlinie, dass Formula bevorzugt empfohlen wird, wenn die notwendigen Bedingungen (Hygiene, Sicherheit bei Zubereitung und Verfügbarkeit von Wasser und Formulapulver) erfüllt sind. Nachdem dies in westlichen Ländern üblicherweise der Fall ist, ist also in unseren Breitengraden davon auszugehen, dass im zweiten Lebens-Halbjahr Formulanahrung als Muttermilchersatz dienen sollte.

Beikosteinführung
Die WHO emfiehlt unverändert, dass Beikost mit 6 Monaten eingeführt werden sollte. Sorgen um eine niedrige Eisen-Versorgung bestehen vor allem für Frühgeborene oder VLBW-Kinder – beide Gruppen sollten unabhängig von der Beikosteinführung Eisensupplemente erhalten, außerdem sollte grundsätzlich bei allen Geburten darauf geachtet werden, die Nabelschnur ausreichend lange auspulsieren zu lassen, bevor abgenabelt wird.

Vielfältige und gesunde Beikost
Eine breite Vielfalt aus tierischen und pflanzlichen Komponenten sollte angeboten werden, insbesondere täglich Fleisch, Fisch oder Eier, Obst und Gemüse. Nüsse, Hülsenfrüchte und Saaten sollten ebenfalls regelmäßig Bestandteil des Speiseplans sein, insbesondere wenn Fleisch, Fisch, Eier oder Gemüse nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Stärkehaltige Grundnahrungsmittel sollten eher minimiert und bei Verwendung sollten Vollkornprodukte bevorzugt werden.

Zuckerhaltige und andere Nahrungsmittel und Getränke
In einem Abschnitt geht die WHO auf kritische Lebensmittel (mit hohen Zucker- oder Salzgehalt sowie Transfetten) ein und empfiehlt die Vermeidung dieser Produkte. Auch zuckerhaltige Getränke sowie Produkte mit Süßstoffen sollten für Säuglinge und Kleinkinder vermieden werden.
Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit Supplementen und angereicherten Lebensmitteln. Vitaminpulver und ähnliche Produkte können für manche Kinder weltweit sinnvoll sein, wenn eine gesunde und vielfältige Beikost nicht ausreichend zur Verfügung steht.

Responsive Feeding: Achtsames Füttern nach Bedarf
Die WHO empfiehlt ausdrücklich, die Autonomie und Selbstregulationsfähigkeiten der Kinder zu respektieren und auch beim Anbieten von Nahrung zu berücksichtigen. Hunger- und Sättigungszeichen sollen beachtet und in einer emotional unterstützenden Weise beantwortet werden.

Alle von der WHO für die Leitlinien-Erstellung durchgeführten Studien sowie das Modell, mit dem notwendige Nährstoffe und Wahrscheinlichkeiten, dass diese durch passende Lebensmittel ausreichend abgedeckt werden, berechnet wurden, stehen frei zur Verfügung.
Diese Dokumente sowie die ausführliche Leitlinie selbst finden Sie (englisch) → hier.

© Dezember 2023, Anja Bier, IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Rhiannon Grill, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Simone Lehwald, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC;
Gudrun von der Ohe, IBCLC

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