Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Alkohol und Stillen: eine Zusammenfassung des Kenntnisstandes

Anlage zum Newsletter Juni 2018

Alcohol Use During Breastfeeding
Philip Anderson. Breastfeeding Medicine, Volume: 13 Issue 5: June 1, 2018. https://doi.org/10.1089/bfm.2018.0053

Wenn sich im deutschsprachigen Raum die Frage stellt, ob die mütterliche Einnahme eines Medikaments oder einer bestimmten Substanz in der Stillzeit akzeptabel ist, gilt das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie in Berlin, kurz "Embryotox", als erste Adresse zur Beantwortung derselben.
Das U.S.-amerikanische Pendant dazu ist die "LactMed-Database", die ähnlich der deutschen Embryotox durch Ministerien und Institutionen der Regierung gefördert wird. Ihr Initiator und Hauptautor Philip Anderson hat kürzlich in Breastfeeding Medicine eine Zusammenfassung über den aktuellen Stand des Wissens und Empfehlungen zum Umgang mit Alkohol in der Stillzeit veröffentlicht.

Wie bereits bekannt geht Alkohol in hohem Maße aus der mütterlichen Blutbahn in die Muttermilch über, daher deckt sich der "Milch-Alkohol-Spiegel" nahezu mit dem mütterlichen Blutalkoholspiegel. Allerdings ist die mütterliche Resorptionsrate für Alkohol in der Stillzeit erniedrigt, so dass ein geringerer Anteil des aufgenommenen Alkohols überhaupt in der Blutbahn der Mutter erscheint. Generell wird Alkohol bei stillenden Frauen ebenso wie in der restlichen Bevölkerung konstant nach der Einnahme abgebaut und ist meist nach wenigen Stunden wieder vollständig aus dem Blutkreislauf entfernt. Je mehr Alkohol zu sich genommen wurde, umso länger dauert es bis zum vollständigen Abbau.

Alkohol hat eine Auswirkung auf die mütterlichen Hormone, die während der Stillzeit entscheidend sind. Die Alkoholeinnahme führt unmittelbar zu einem Absinken des Oxytocin-Spiegels, allerdings ist der Effekt nur in hohen Dosen relevant. Beim Konsum von kleinen bis mäßigen Mengen Alkohol ist nur eine geringe Verzögerung des Milchspendereflexes zu erwarten und dieser Effekt bleibt auch nur bestehen, solange sich noch Alkohol in der Blutbahn der Mutter befindet.
Auch auf das Prolaktin hat Alkohol eine Wirkung, allerdings ist der Effekt komplexer. Die immer wieder kolportierte "milchbildende Wirkung" von Bier beruht jedenfalls nicht auf dem Alkoholgehalt, sondern vermutlich auf einem Gerstenmalz-Zucker, der in Bier enthalten ist.

Hohe Dosen der Alkoholeinnahme einer stillenden Mutter stellen ein Risiko für das Kind dar: in Einzelfallberichten, in denen Mütter große Mengen an Alkohol konsumierten oder an Alkoholismus litten, zeigten die Kinder ein auffälliges Schlafverhalten, eine verminderte Fähigkeit zu saugen, eine erhöhte Gewichtszunahme und/oder Anzeichen einer Vergiftung.
Ein gelegentlicher und maßvoller Konsum von Alkohol hingegen führt tendenziell höchstens zu leichten Verhaltensänderungen des Säuglings: in den ersten Stunden nach der Einnahme nimmt das Kind weniger Milch zu sich und gleicht dies durch eine etwas erhöhte Trinkfrequenz einige Stunden später wieder aus. In einigen Fällen sind die Kinder insgesamt etwas unruhiger und gereizter.

Insgesamt zeigt die Studienlage, dass ein gelegentlicher Alkoholkonsum in kleinen Mengen mit dem Stillen vereinbar ist. Dr. Anderson empfiehlt, nach der Einnahme des Alkohols möglichst eine kurze Stillpause von ca. 2 - 2,5 Stunden einzuhalten.
Größere Mengen an Alkohol sollten in der Stillzeit ebenso vermieden werden wie chronischer, regelmäßiger Alkoholkonsum.

Der vollständige Artikel (englisch) kann frei zugänglich → hier gefunden werden.

Ergänzende Informationen für den deutschsprachigen Raum:

Die Empfehlungen der deutschen Embryotox und der Autoren des Buchs "Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit" (8. Auflage, Verlag Urban & Fischer) sind vergleichbar:
"Gelegentlicher geringer Alkoholgenuss (z.B. 1- bis 2-mal wöchentlich 100 ml Sekt) während der Stillzeit schädigt den Säugling offenbar nicht. Bei chronischem oder auch gelegentlichem exzessiven Alkoholkonsum muss abgestillt werden."

© Juni 2018, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation

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