Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und Stillen

Anlage zum EISL-Newsletter Dezember 2024

Inflammatory Bowel Disease and Breastfeeding: A Narrative Review
Tedi Hoxha, MD, Michael Youssef, MD, Parul Tandon: Inflammatory Bowel Disease, 2024, XX, 1–10
https://doi.org/10.1093/ibd/izae033

Das wichtigste in Kürze:

  • Stillen wirkt präventiv in Bezug auf die Entwicklung einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) beim gestillten Säugling – das mütterliche Darmmikrobiom und die besonderen Eigenschaften der Muttermilch spielen dabei eine große Rolle
  • Auch Frauen, die schwanger sind oder stillen, leiden an CEDs. Aus Unsicherheit in Bezug auf die Sicherheit der Medikamente entscheiden sich einige Frauen gegen das Stillen, andere setzen die Medikamente ab, obwohl es viele stillverträgliche Lösungen gibt
  • Es braucht einen interdiszplinären Ansatz, um die Stillraten unter Müttern mit CED zu verbessern und klarzustellen: Stillen mit einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung ist möglich und sinnvoll, die Erkrankung selbst (Verlauf, Schwere) wird nicht dadurch beeinflusst

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED), zu denen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören, sind Erkrankungen mit weltweit steigender Inzidenz.

Dass Stillen sich präventiv auf die Entwicklung einer CED beim gestillten Kind auswirkt, wurde bereits gezeigt (wir berichteten z.B. im → Oktober 2017 , außerdem empfehlen wir dazu noch einen aktuellen → Übersichtsartikel von 2023)
Eine Stilldauer von mehr als 12 Monaten im Säuglingsalter ist im Vergleich zu einer Stilldauer von 3 oder 6 Monaten mit der größten Verringerung des CED-Risikos verbunden.

Eine aktuelle Studie beschäftigte sich nun mit Müttern, die an einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leiden.
Die Studie beschreibt:
CEDs betreffen häufig Frauen im gebärfähigen Alter, die das Stillen in Betracht ziehen könnten. Obwohl das Stillen zahlreiche Vorteile mit sich bringt, gibt es nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Sicherheit des Stillens bei Frauen mit CED. Das Risiko, dass sich die Krankheitsaktivität nach der Geburt erhöht, ist unabhängig vom Stillstatus gleich hoch. Die meisten Medikamente gelten auch in der Stillzeit als sicher und bedeuten kein größeres Risiko für den gestillten Säugling.
Trotzdem ist die Stillrate bei Frauen mit CED nach wie vor niedrig, was vor allem auf Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der CED-Therapie beim Stillen zurückzuführen ist. Einerseits setzen viele Frauen Medikamente selbst ab um zu stillen, andereseits ist das medizinische Fachpersonal oft unsicher, wenn es um Therapieempfehlungen in Schwangerschaft und Stillzeit geht.

Generell wird das Stillen als eine allgemein sichere und vorteilhafte Praxis für Mütter mit entzündlichen Darmerkrankungen empfohlen, auch wenn es nach wie vor falsche Vorstellungen über die Sicherheit der gleichzeitigen Behandlung gibt. Multidisziplinäre Betreuungsmodelle sind für die Verbesserung der Ergebnisse für stillende Frauen mit entzündlichen Darmerkrankungen unerlässlich.

Man geht davon aus, dass die Pathogenese der CED auf einer Kombination aus genetischen und Umweltfaktoren beruht. Im Mittelpunkt steht dabei die Rolle der Darmdysbiose, ein Ungleichgewicht zwischen schädlichen und schützenden Darmbakterien bei CED. Frühere Arbeiten haben einen engen Zusammenhang zwischen Darmentzündungen und Veränderungen des Darmmikrobioms nachgewiesen. Eine Studie mit eineiigen Zwillingen ergab, dass der Zwillingspatient mit CED geringere Mengen an Fäkalibakterien und Roseburia und höhere Mengen an Enterobacteriaceae und Ruminococcus aufwies als der gesunde Zwillingsbruder.
Es wird angenommen, dass das vermehrte Vorkommen dieser Mikroorganismen eine verstärkte Immunreaktion und einen entzündlichen Zustand fördert. Die Therapie mit entzündungshemmenden und immunmodulatorischen Wirkstoffen zielt darauf ab, diese Entzündungsreaktion zu reduzieren.

Die Studie ist nicht vollständig frei erhältlich, das Abstract können Sie → hier nachlesen.

Übrigens: Das Darmmikrobiom des Säuglings wird weitgehend vom mütterlichen Mikrobiom beeinflusst, insbesondere vom mütterlichen Darmmikrobiom. Auch die Muttermilch spielt bei der Entwicklung des Immunsystems des Säuglings eine bedeutende Rolle, da sie als Vektor für kommensale Bakterien dient. Bakterien und andere Mikroben in der Muttermilch regulieren die Zytokinproduktion und beeinflussen dadurch die Immunfunktion der Schleimhäute. Muttermilch überträgt auch schützende Antikörper, Zytokine und Nährstoffe, die die Entwicklung des Immunsystems des Säuglings unterstützen.

Stillen und Muttermilchgabe sind dabei nicht dasselbe: Im Vergleich zu Säuglingen, die mit abgepumpter Muttermilch gefüttert wurden, wurden höhere Konzentrationen von Bifidobakterien, einem Probiotikum, bei gestillten Säuglingen beobachtet.

© Dezember 2024, Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Anja Bier, IBCLC; Rhiannon Grill, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Simone Lehwald, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC

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