Stillen fördern

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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 10/2022
Es gibt viele verschiedene Indikationen zum Gewinnen von Muttermilch. Dies kann von Hand oder mit Hilfe einer Pumpe erfolgen.
In den meisten Fällen verfolgt die Gewinnung von Muttermilch folgende Ziele:
• Das Baby soll ergänzend zum Stillen oder anstelle des Stillens Muttermilch auf anderem Wege erhalten
• Die Brust der Mutter benötigt zusätzliche Stimulation, um die Milchbildung aufzubauen oder zu erhalten
Sowohl für effektives Gewinnen von Hand als auch mit der Pumpe ist ein gutes Management von großer Bedeutung. Es trägt dazu bei, die Milchmenge zu erhöhen und die Stimulation für die Mutter so zu gestalten, dass sie effektiv in die Milchbildung kommt und diese auf einem adäquaten Level halten kann.
Wenn eine Mutter zusätzlich zum Stillen für Ihr Neugeborenes Milch gewinnen möchte, ist vor allem in den ersten 1 - 2 Tagen die Handgewinnung dem Abpumpen vorzuziehen. Es ist daher sinnvoll, wenn besonders Hebammen und Pflegende sich der Bedeutung der Handgewinnung bewusst sind, die Technik sicher beherrschen und Mütter aktiv dazu anleiten.
Eine Milchpumpe kann zusätzlich notwendig werden, beispielsweise bei einer Trennung von Mutter und Kind.
Wenn ausschließlich Milch von Hand oder per Pumpe gewonnen wird, ist auf eine ausreichende Frequenz zu achten (mindestens 8x, besser 10 - 12x/ 24 h). Die Mutter sollte angeleitet werden, die Gewinnung der Muttermilch von Hand selbst durchzuführen.
Idealwerweise liegt der Beginn zum Gewinnen von Kolostrum per Hand innerhalb der ersten Stunde pp (Parker et al., 2015). Zusätzlich wird bei Trennung von Mutter und Kind ca. 6 Stunden postpartum mit dem Pumpen begonnen. Die Handgewinnung wird während der ersten Tage parallel zum Abpumpen weiter fortgesetzt und ergänzt das Pumpen in den ersten Wochen.
Einen Kombination von Brustmassage, Handgewinnung und Abpumpen mit einer elektrischen Pumpe steigert die Milchmenge und erhöht den Kaloriengehalt der Muttermilch (Morton et al., 2012, 2017). Dabei ist Intervall-Pumpen effizienter als durchgängiges Pumpen.
Eine stimulierende Oxytocinmassage (siehe dazu auch unsere Fachseite → Brustmassage) ist Voraussetzung für ein erfolgreiches Gewinnen von Kolostrum/ Muttermilch von Hand. In den ersten Tagen können so einige Tropfen Kolostrum gewonnen und mit einem Löffel aufgefangen oder mit Hilfe einer kleinen Einmalspritze aufgezogen werden. Aber auch nach Etablierung der Milchbildung nutzen manche Frauen die Handentleerung weiterhin, z.B. um sich Erleichterung bei einem Milchstau zu verschaffen.
Für jede stillende Mutter ist es von Vorteil, das Gewinnen von Muttermilch mit der Hand zu erlernen. Das Wissen darum, fördert die Unabhängigkeit der Mutter, egal welche Umstände im Laufe des Stillens auftreten (Lauwers & Swisher, 2021:532; Wambach & Spencer, 2021:201). In Babyfreundlichen Krankenhäusern (Baby-friendly Hospitals) wird vorausgesetzt, dass alle Mütter lernen, ihre Milch per Hand zu gewinnen. Diese Art der Milchgewinnung ist auch für eine Mutter nach einer Sectio möglich.
Insbesondere in den ersten Stunden und Tagen postpartum kann die Handgewinnung von Kolostrum von großer Bedeutung sein, z.B. wenn das Anlegen (noch) nicht optimal gelingt, das Baby sehr schläfrig ist, die postpartale Gewichtsabnahme Anlass zur Überprüfung des Stillmanagements gibt oder wenn der Blutzucker des Neugeborenen stabilisiert werden soll. Eine medizinisch indizierte Zufütterung sollte nach Möglichkeit mit gewonnenem Kolostrum durchgeführt werden.
(Core Curriculum LEAARC, 2019:488; Lauwers & Swisher, 2021:533; Lawrence, 2022:663)
Manchmal dauert es eine Weile, bis Milch aus der Brust fließt. In dieser Situation sollte nicht der Druck der Finger verstärkt, sonder die Brustmassage wiederholt, Handbewegungen kontinuierlich fortgeführt und die Seiten gewechselt werden.
Wichtig ist dabei, dass die Finger nicht auf der Haut "rutschen", keine Schmerzen entstehen und weder Mamille noch Gewebe gedrückt oder gequetscht wird (Lauwers & Swisher, 2021:532).
Zur Handgewinnung gibt es auch gutes Videomaterial, das kostenlos verfügbar ist. Besonders empfehlenswert sind die folgenden Links:
Für Neugeborene diabetischer Mütter ist das Kolostrum besonders wertvoll und wird, zur Prävention einer Hypoglykämie, bereits innerhalb der ersten halben Stunde postpartum benötigt. Da die meisten Neugeborenen zu diesem Zeitpunkt noch nicht bereit dazu sind, direkt an der Brust zu trinken, wird die Mutter dazu angeleitet, Kolostrum von Hand zu gewinnen. Auf diese Weise wird auch das ungestörte Self-Attachment des Babys nicht unterbrochen.
Als präventive Maßnahme empfehlen wir zusätzlich, dass diabetische Mütter bereits zum Ende der Schwangerschaft (ab der 37. Schwangerschaftswoche) angeleitet werden, Kolostrum zu gewinnen und es eingefroren zur Entbindung mitzubringen (Soltani Scott, 2012; Walker 2017). Eine genaue Erläuterung der Hintergründe und Empfehlungen für die Praxis gibt das folgende Dokument:
Weitere Informationen zu diesem Themenfeld finden Sie auch auf unseren folgenden Fachseiten:
Hier können Sie u.a. das EISL-Faltblatt "Präpartale Kolostrum-Gewinnung bei Schwangeren mit Diabetes mellitus oder Gestationsdiabetes" kaufen:
Wenn nur gelegentlich gepumpt wird, um zum Beispiel einen Vorrat für kurze Abwesenheiten der Mutter anzulegen, ist meist eine Handpumpe oder das Abpumpen mit dem Einzel-Pumpset einer elektrischen Milchpumpe ausreichend.
Wenn eine Mutter jedoch bereits in der Klinik oder über einen längeren Zeitraum pumpt, um für ihr Kind Muttermilch zu gewinnen, ist stets ein doppelseitiges Abpumpen mit einer modernen elektrischen Milchpumpe Mittel der Wahl. Dadurch wird die Brust besser stimuliert, die Milchbildung effizienter gesteigert und zudem Zeit gespart.
Wenn Mutter und Baby getrennt sind, sollte ca. eine Stunde pp mit der Gewinnung per Hand begonnen werden. Zusätzlich wird nach ca. 6 Stunden postpartum mit dem Pumpen begonnen. In diesem Zeitraum ist der Prolaktinspiegel hoch und die Prolaktinrezeptoren können besetzt werden. Häufiges Entleeren, mind. 8x, besser 10–12x bereits in den ersten 24 Stunden, unterstützt den Aufbau einer ausreichenden Milchbildung und verringert insbesondere bei Frühgeborenen längerfristig das Risiko eines Milchmangels.
Das häufige Stimulieren der Brust sollte beibehalten werden bis die Milchbildung gut etabliert ist und mindestens 500–700ml/ 24 Stunden, besser 800–1000ml/ 24 Stunden erreicht werden (Walker, 2023:393). Eine 4–5-stündige Nachtruhe ist empfehlenswert, um eine Überforderung der Mutter zu vermeiden.
Zur Erhaltung der Milchproduktion nach erfolgreichem Aufbau:
mindestens 5x, besser 6–8x / 24 Stunden, idealerweise weiterhin mit Doppelpumpset (Walker 2023:596).
Ein Pump-Protokoll und gute Anleitung helfen der Mutter, eine gewisse Struktur in ihrem Tagesablauf aufzubauen und schützen vor einer möglichen Überforderung.
Doppelseitiges Abpumpen benötigt ca. 15 - 20 Minuten. In jedem Fall sollte vor dem Abpumpen eine oxytocinstimulierende Brustmassage erfolgen und das Pumpen zusätzlich durch Pausen mit weiteren Brustmassagen unterbrochen werden (sogenanntes “Intervall-Pumpen”, s. unten).
Die Mutter nutzt das maximal für sie komfortable Vakuum zum Abpumpen. Begonnen wird immer mit der minimalen Saugstärke, anschließend kann die Saugstärke entsprechend den Bedürfnissen gesteigert werden (Kent et al, 2007). Abpumpen darf nicht schmerzen!
Im Gegensatz zu einer technischen unpersönlichen Pumpe ist ein Baby an der Brust warm, es riecht gut und stimuliert die mütterliche Liebe und Zuwendung. Oxytocin ist für das Fließen der Milch sehr entscheidend. Alle Maßnahmen, die die Oxytocinausschüttung unterstützen, sind daher beim Pumpen besonders hilfreich.
Deshalb wird ein modernes Pumpmanagement stets aus einer Kombination aus Brustmassagen, Abpumpen und kurzen Unterbrechungen bestehen, was die Oxytocinausschüttung effektiver stimuliert als durchgängiges Pumpen über eine längere Zeit. Diese Methode bezeichnen wir mit dem Überbegriff "Intervall-Pumpen".
Es gibt mehrere Varianten des Intervall-Pumpens. Das EISL verwendet folgende Begriffe:
POWER-PUMPING (nach Arnold, 2010:143)
– geeignet als grundlegende Standard-Methode für den Alltag
1. Brustmassage/Oxytocinmasssage
2. Doppelseitiges Abpumpen für ca. 5 Minuten
3. Kurze Unterbrechung – ein Glas Wasser trinken, strecken, aufstehen (Steigerung der Oxytocinausschüttung)
Punkte 1 - 3 insgesamt 3x wiederholen – Gesamtdauer 15 - 20 min.
Eine Handgewinnung im Anschluss an das Pumpen (mit Seitenwechsel rechts-links-rechts-links) bringt wichtige fettreiche Zusatz-Milliliter (Morton, 2012/ 2017).
CLUSTER-PUMPING (nach Walker, 2023:395)
– als ergänzende Methode bei Bedarf 1 x täglich, um die Milchmenge zu steigern
1. Brustmassage/Oxytocinmassage
2. Doppelseitiges Abpumpen für ca. 10 - 12 Minuten oder bis die Milch nicht mehr fließt
3. Pause von ca. 10 - 12 Minuten
Punkte 1 - 3 insgesamt ca. 3x wiederholen – Gesamtdauer ca. 1 Stunde
Diese Pumpmethode entspricht dem typischen „Clusterfeeding“ von gestillten Kindern. Das Cluster-Pumping ist vor allem als zusätzliche Unterstützung hilfreich, wenn die Milchmenge noch weiter gesteigert werden soll, z.B. bei Milchmangel oder bei Frühgeborenen.
Kombination: z.B. 7 - 8 x Powerpumping + 1x Clusterpumping/ 24 h
HANDS-ON-PUMPING (nach Morton et al., 2012/ 2017)
– ergänzend zur Steigerung der Milchmenge und/oder des Fettgehalts der Milch
Eine gleichzeitig während des Pumpens durchgeführte Brustmassage/ Brustkompression führt sowohl zu einer erhöhten Milchmenge als auch zu einem erhöhten Fettgehalt der Milch (Lawrence, 2022:663). „Hands-on-Pumping“ ist einfacher, wenn ein speziell dafür zugeschnittenes Bustier o.ä. getragen wird, so dass man die Pumptrichter nicht festhalten muss und die Hände für die Brustmassage frei hat.
(Lauwers & Swisher, 2021:536; Lawrence, 2022:662; Walker 2023: 394)
(ABM, 2017, Core Curriculum, 2019:490; Lawrence & Lawrence, 2022:663,672)
Nicht mehr empfohlen wird eine Reinigung der Brust vor dem Abpumpen. Auch das Ausmassieren und Verwerfen der ersten Tropfen Muttermilch gilt als überholt (ABM, 2017; Arnold, 2010:172f; Lawrence, 2022:666).
Allgemeine Krankenhausrichtlinien sind zu beachten, jede NICU hat bezüglich der Reinigung und Sterilisation von Pumpsets eigene Hygiene-Vorschriften (Lauwers & Swisher, 2021:538). So wird beispielweise in einigen Krankenhäuser als Vorsichtsmaßnahme für VLBW Frühgeborene und für Risikokinder die Verwendung eines sterilen/ausgekochten Pumpsets bei jedem Gebrauch verlangt. Strenge Hygienemaßnahmen erschweren allerdings der Mutter den schon aufwändigen Tagesrhythmus und können das Risiko erhöhen, dass die Mutter weniger pumpt. Die Verwendung von Einmalpumpsets ist aufgrund der anfallenden Menge von Plastikmüll ebenso zu hinterfragen.
Die Frage, wo und wie lange soll Muttermilch aufbewahrt werden sollte, wird in vielen Fachpublikationen aufgenommen. Die Empfehlungen variieren allerdings, dies möglicherweise auch, weil die Evidenzlage relativ dünn ist und somit Spielraum für Interpretationen lässt.
Die Milchsammelbehälter sind mit Datum, Uhrzeit und Name des Kindes zu versehen (Lawrence, 2022:673). Im Kühlschrank wird der hintere Bereich zur Kühlung empfohlen, die Aufbewahrung in der Kühlschranktür ist zu vermeiden. Höhere Temperaturen ermöglichen ein schnelleres Keimwachstum (ABM, 2017). Der Transport der Milchflaschen in die Kinderklinik muss gekühlt erfolgen (Kühltasche).
Muttermilch: | Aufbewahrungsort: | Temperatur: | Gesunde Kinder/ Zuhause: | Frühgeborene/ Klinikbereich: |
Frisch gewonnen | Raumtemperatur | 16°–29° | 4 Std./ 6-8 Std. unter optimalen Bedingungen | Innerhalb 1 Std. in Kühlschrank oder Gefrierschrank geben |
Frisch gewonnen | Kühltasche mit Coldpacks | 15° | 8 Std. (AMB)/ 24 Std. (HMBANA, Lawrence) | keine spezielle Angabe |
Frisch gewonnen | Kühlschrank | 4° | 4 Tage (ABM, CDC, Lawrence)/ 5-8 Tage unter optimalen Bedingungen (ABM, HMBANA) | 48 Std. |
Frisch gewonnen | Gefrierschrank | –18° | 6 Monate (ABM, CDC)/ 1 Jahr unter optimalen Bedingungen (HMBANA) | 3 Monate |
Nach Tiefkühlung, aufgetaut | Raumtemperatur | 16°–29° | 1–2 Std. (CDC, HMBANA) | keine spezielle Angabe |
Nach Tiefkühlung, aufgetaut | Kühlschrank | 4° | 24 Std. (CDC, HMBANA)/ 48 Std. (Lawrence) | 24 Std. |
Empfehlungen zur Aufbewahrung von Muttermilch. ABM, 2017; CDC, 2022; Core Curriculum LEAARC, 2019; HMBANA, 2019; Lauwers & Swisher, 2021; Lawrence, 2022; Wambach & Spencer, 2021
Das Auftauen der Milch sollte im Kühlschrank oder bei Raumtemperatur erfolgen. Erwärmt werden kann die Muttermilch unter fließend warmem Wasser oder im Flaschenwärmer. Ein kurzes Wasserbad von wenigen Minuten ist ausschließlich für den häuslichen Bereich eine Option. Muttermilch sollte nicht in der Mikrowelle erwärmt oder aufgetaut werden.
Es gibt etliche gute Materialien, die für Eltern zur Verfügung stehen und das Gewinnen von Muttermilch sowie die Anleitung zu einer vorbereitenden Brustmassage beinhalten:
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