Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Herzgesundheit von Frauen in der Schwangerschaft

Anlage zum EISL-Newsletter Mai 2024

Hypertensive disorders of pregnancy and cardiovascular disease risk: a Mendelian randomisation study
Tschiderer L, van der Schouw YT, Burgess S, Bloemenkamp KWM, Seekircher L, Willeit P, Onland-Moret C, Peters SAE. Heart. 2024 Apr 25;110(10):710-717. https://doi.org/10.1136/heartjnl-2023-323490

Das wichtigste in Kürze:

  • Lange Zeit ging man davon aus, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor allem Männer betreffen – tatsächlich ist das Mortalitätsrisiko für Frauen ebenso hoch wie für Männer
  • In jüngster Zeit wird vermehrt dazu geforscht, und es wird deutlich, dass sich Erkrankungen bei Frauen häufig mit anderen Symptomen und in anderen Formen entwickeln
  • Ein Forscherteam aus Innsbruck untersucht seit einigen Jahren die Auswirkungen zentraler Lebensabschnitte wie Schwangerschaft, Stillzeit und Menopause auf die Herzgesundheit von Frauen
  • In einer aktuellen Studie wurde gezeigt, dass Schwangere mit Präeklampsie/Eklampsie und Schwangerschaftshypertonie auch im späteren Leben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben
  • Stillen ist ein Schutzfaktor, der nicht unterschätzt werden sollte: Frauen, die im Lauf ihres Lebens gestillt haben, senken ihr Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle

Wer sich einen Menschen mit Herzinfarkt oder Schlaganfall vorstellt, hat oft einen Mann mit den klassischen Risikofaktoren Übergewicht, Rauchen, Alkohol, Stress und wenig Sport vor Augen. Global gesehen sterben jedoch sowohl ein Drittel der Frauen als auch der Männer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Frauen entwickeln sich Krankheiten allerdings oft in anderer Form und mit anderen Symptomen.

In jüngster Zeit entsteht ein größeres Bewusstsein dafür, dass medizinische Forschung sich beiden Geschlechtern genauer zuwenden muss, um zu vermeiden, dass insbesondere Frauen wegen Fehldiagnosen oder Abwiegeln von Symptomen als "Stress" gesundheitliche Nachteile erleiden. Einen spannenden Einblick dazu gibt z.B. das Buch "Gesundheitsrisiko Weiblich" von Dr. med. Werner Bartens.

Ein Forscherteam aus Innsbruck beschäftigt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Herzgesundheit von Frauen in verschiedenen Lebensphasen. Die Gruppe um Lena Tschiderer (Assistenzprofessorin am Institut für Gesundheitsökonomie der Medizinischen Universität Innsbruck) untersucht dabei z.B. die Zusammenhänge zwischen Schwangerschaft, Stillzeit und Menopause mit dem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Schwangerschaft als ultimativer Stresstest
Vor allem die Monate, in denen sich der weibliche Körper auf ein Kind einstellt, können laut Tschiderer als "Stresstest" für den Organismus verstanden werden. Das zeigt zum Beispiel ihre aktuelle Studie über Präeklampsie, eine Komplikation in der Schwangerschaft, die mit Bluthochdruck und anderen Symptomen einhergeht.
Tschiderers Berechnungen ergaben, dass Präeklampsie mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im späteren Leben der Frau zusammenhängt. Beobachtungsstudien zeigten, dass hypertensive Schwangerschaftsstörungen mit ungünstigen mütterlichen Risikoprofilen für kardiovaskuläre Erkrankungen im späteren Leben verbunden sind.
Das Forscherteam untersuchte, ob die genetische Veranlagung für Präeklampsie/Eklampsie und Schwangerschaftshypertonie mit kardiovaskulären Risikofaktoren und dem Auftreten von Herz-Kreislauferkrankungen zusammenhängt. Sie kamen zu dem Schluss, dass die genetische Veranlagung für hypertone Erkrankungen in der Schwangerschaft (Hypertensive Disorders of Pregnancy, HDP) mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck auch im späteren Leben verbunden ist.

Wir berichteten bereits im Januar 2022 von einer Studie des Innsbrucker Teams. Der → Artikel "Nicht-Stillen erhöht das mütterliche kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko" zeigte: Wenn Frauen im Laufe ihres Lebens gestillt haben, entwickeln sie seltener eine koronare Herzkrankheit, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall. Allerdings ist noch unklar, auf welche Weise das Stillen die Herzgesundheit verbessert. Lena Tschiderer nennt als möglichen Grund die "Reset-Hypothese", der zufolge Stillen den weiblichen Stoffwechsel wieder in den Zustand vor der Geburt zurücksetzt.

Die aktuelle Studie ist vollständig frei verfügbar → hier nachzulesen.

Weitere Veröffentlichungen des Innsbrucker Forscherteams:
• Tschiderer L., Peters S.A.E., .: Age at Menopause and the Risk of Stroke: Observational and Mendelian Rando-mization Analysis in 204 244 Postmenopausal Women, in: Journal of the American Heart Association 2023
• Tschiderer L., Seekircher L., Willeit P., Peters S.A.E.: Assessment of Cardiovascular Risk in Women: Progress so Far and Progress to Come, in: International Journal of Women’s Health 2023

© Mai 2024, Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Anja Bier, IBCLC; Rhiannon Grill, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Simone Lehwald, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC

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