Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Interessenskonflikte und Verflechtungen mit der Babynahrungsindustrie

Anlage zum Newsletter Februar 2019

Sponsorship of paediatric associations by manufacturers of breastmilk substitutes
Tony Waterston, Charlotte Wright. The Lancet, Feb. 2019. DOI: https://doi.org/10.1016/S0140-6736(18)32845-9

In den meisten Ländern existieren verschiedene nationale Gesellschaften, in denen sich Ärzte und andere medizinische Berufsgruppen fachgebiets-spezifisch organisieren. Dies gilt selbstverständlich auch für Kinderärzte, die sich beispielsweise in Deutschland in der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), in Österreich in der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) und in der Schweiz in der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie (SGP) zusammengeschlossen haben.
Häufig haben diese Organisationen politischen und gesamtgesellschaftlichen Einfluss, ihre Empfehlungen haben Gewicht und sie üben in vielerlei Hinsicht eine Vorbildfunktion aus.
Über die nationalen Grenzen hinaus bekannt sind vor allem die American Academy of Pediatrics (AAP) und das Royal College of Pediatrics and Child Health (RCPCH) in Großbritannien, außerdem gibt es auch internationale Organisationen, wie beispielsweise die Europäische Gesellschaft für pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN).

In den vergangenen Monaten war die britische Organisation RCPCH in den Fokus scharfer → Kritik gerückt: ihre für Januar 2019 geplante internationale Konferenz wurde von mehreren Babynahrungs-Herstellern gesponsert. Diesen Bruch des WHO-Kodex wollten etliche Mitglieder des RCPCH nicht mittragen und starteten eine Kampagne, die eine lebhafte Diskussion lostrat. Diese beschränkte sich nicht nur auf die Finanzierung dieser speziellen Konferenz, sondern stellte im Grundsatz in Frage, inwieweit das RCPCH überhaupt von Babynahrungs-Herstellern Gelder annehmen dürfte. Bereits 2016 war der Versuch unternommen worden, solche Kooperationen einzuschränken, 2017 waren die Bestimmungen jedoch wieder gelockert worden. Zuletzt nahm das RCPCH ca. 40.000 £ (englische Pfund) jährlich durch die Babynahrungsindustrie ein.

Die Proteste der letzten Monate zeigten schließlich Wirkung: der Vorstand des RCPCH verkündete Anfang Februar 2019 (→ British Medical Journal, → The Lancet lesbar durch kostenlose Registrierung) dass die Gesellschaft künftig keine Gelder von Babynahrungs-Herstellern mehr annehmen wird und dass alle entsprechenden Verträge gekündigt werden (ein weiterer informativer Artikel dazu in → QUARTZ)

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine → Studie, die im Herbst 2018 veröffentlicht wurde. Sie untersuchte, ob und in welcher Menge Werbeanzeigen von Babynahrungs-Herstellern in medizinischen Fachzeitschriften auftauchen, sowie, ob diese dem WHO-Kodex entsprechen. Dazu wurden 12 relevante Fachzeitschriften mit hohen Impact-Faktoren ausgewählt und für den Zeitraum von 2003 - 2012 untersucht. Es zeigte sich, dass die meisten Zeitschriften gar keine Werbung von Babynahrungs-Herstellern schalteten, dass aber die Zeitschriften, die es taten, alle zur selben Verlagsgruppe gehörten und dass zwei dieser Zeitschriften offizielle Mitglieds-Zeitschriften des RCPCH sind.

Auch hier findet nun Bewegung statt: das renommierte British Medical Journal (BMJ), das bisher Werbung von Babynahrungs-Herstellern akzeptierte, wenn sie sich auf Spezial-Nahrungen (z.B. für Kuhmilch-Eiweiß-Allergiker) bezog, überdenkt diese Haltung und kündigte im → Dezember 2018 an, seine Regularien 2019 zu überarbeiten.

Die Babynahrungsindustrie hat in den vergangenen Jahrzehnten ihren Einfluss und ihren Umsatz stetig vergrößert und verschiedene Hersteller verstoßen regelmäßig gegen die Auflagen des Internationalen Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten ("WHO-Kodex"). Lesen Sie hierzu auch unsere beiden Artikel von → 6/2016 und → 3/2018.

© Februar 2019, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation

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