Kommunikation mit Schwangeren und Stillenden über persönliche Risikofaktoren im Bezug auf ihren Lebensstil
Anlage zum EISL-Newsletter Dezember 2022
Health Education about Lifestyle-Related Risk Factors in Gynecological and Obstetric Care: A Qualitative Study of Healthcare Providers’ Views in Germany
Bombana, M.; Wensing, M.; Wittenborn, L.; Ullrich, C. International Journal of Environmental Research and Public Health. 2022; 19(18):11674. DOI: https://doi.org/10.3390/ijerph191811674
Das wichtigste in Kürze:
- Nicht allen Schwangeren und Stillenden sind die Risiken, die mit ihrem persönlichen Lebensstil zusammenhängen (z.B. Alkoholkonsum, Rauchen etc.), bewusst
- Auch Gesundheitspersonal ist nicht immer umfassend über diese Faktoren informiert oder nimmt nicht in vollem Umfang wahr, welch wichtige Rolle sie bei der Aufklärung ihrer Patient:innen und Klient:innen spielen
- Eine in Deutschland durchgeführte Studie kritisiert, dass es derzeit keine standardisierte Vorgehensweise zur Kommunikation über dieses Thema gibt und dass nicht klar definiert ist, wer für die Kommunikation zu diesem Thema die Verantwortung übernehmen sollte
Dass sowohl für die Mutter als auch das Kind Risiken bestehen, wenn Schwangere oder Stillende bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legen (z.B. Alkoholkonsum, Rauchen, Bewegungsmangel, Fehl-/Mangelernährung etc.), ist gut durch Evidenzen belegt, aber nicht allen betroffenen Frauen und Familien bewusst.
Da es sich bei den genannten Verhaltensweisen um vermeidbare Faktoren handelt, die durch Entscheidungen über den persönlichen Lebensstil geprägt sind, könnte eine entsprechende Aufklärung durch Gesundheitspersonal dazu beitragen, diese Risiken zu verringern.
Eine aktuelle Studie aus Deutschland hat Gynäkolog:innen und Hebammen in ausführlichen Interviews dazu befragt, welche Informationen sie normalerweise an ihre schwangeren und stillenden Klient:innen weitergeben, wann diese Kommunikation stattfindet, welche Gruppierungen besonders im Fokus der Gesundheitsfachkräfte stehen und ob es Leitlinien oder Standards gibt, an denen sich die interviewten Fachkräfte orientieren.
Es zeigte sich, dass die befragten Gynäkolog:innen und Hebammen (teils im klinischen, teils im außerklinischen Bereich tätig) normalerweise keiner standardisierten Vorgehensweise folgen, wenn sie mit Schwangeren und Stillenden über Risikofaktoren ihres persönlichen Lebensstils kommunizieren. Häufig wurde angegeben, dass auf individueller Basis diese Themen angesprochen werden, wenn die Gesundheitsfachkraft den Eindruck hat, die Klient:in würde dazu Informationen benötigen oder wenn sie gezielt danach gefragt werden. Wenn eine Klient:in einen zufriedenen Eindruck macht und keine Fragen hat, wird sie oft gar nicht auf das Thema angesprochen.
Wenn Klient:innen jedoch aus schwierigen sozio-ökonomischen Verhältnissen kommen oder einen Migrationshintergrund haben, sehen die Fachkräfte einen größeren Bedarf an Aufklärung zu den Risikofaktoren des Lebensstils.
Häufig scheitert ein ausführliches Gespräch über das Thema nicht nur an fehlendem Interesse der Klient:innen oder der Fachkraft, sondern ist auch Zeitmangel, Unsicherheit, fehlenden Leitlinien und einer unklaren Verantwortlichkeit geschuldet. Gynäkolog:innen und Hebammen waren jeweils unsicher, ob und in welchem Umfang die andere Berufsgruppe das Thema bereits anspricht und ob sie überhaupt zuständig für das Thema sind.
Die Autor:innen der Studie kritisieren, dass die Aufklärung über Risikofaktoren des persönlichen Lebensstils nicht ausreichend gesellschaftspolitisch gefördert wird und dass zu diesem Thema bislang keine standardisierten Vorgehensweisen und Leitlinien/Empfehlungen existieren oder den Gesundheitsfachkräften nicht bekannt sind. Außerdem werden durch internalisierte Annahmen und Vorurteile der Fachkräfte bestimmte Gruppen eher über bestimmte Themen aufgeklärt, andere hingegen völlig außen vor gelassen. Es gibt also einigen Handlungsbedarf.
Die Studie (englisch) ist vollständig und kostenfrei → hier erhältlich.
© Dezember 2022, Anja Bier, IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Rhiannon Grill, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC; Gudrun von der Ohe, IBCLC