Lanolin als Allergierisiko?
Anlage zum EISL-Newsletter November 2023
Das wichtigste in Kürze:
- Lanolin, das in vielen Kosmetikprodukten und Medikamenten für Hauterkrankungen eingesetzt wird, wurde von der Amerikanischen Fachgesellschaft für Kontaktdermatitis zum "Allergen des Jahres 2023" ausgerufen.
- Für die Mamillenpflege wird üblicherweise kein "normales", sondern ein spezielles, ultrareines und somit hypoallergenes Lanolin verwendet – im deutschsprachigen Raum gibt es mehrere Hersteller, die solche für die Mamillenpflege vorgesehenen Produkte vertreiben.
- Über den Magen-Darm-Trakt sind keine Sensibilisierungen auf Lanolin bekannt, die Anwendung ist also auch für das Baby sicher.
- Das allergene Potential von Lanolin liegt an den sogenannten Wollwachsalkoholen, die jedoch nicht in jeder Lanolin-Zubereitung im selben Maße vorhanden sind. Grundsätzlich wird das Sensibilisierungs-Potential der Wollwachsalkohole als schwach eingestuft, bei Menschen mit chronisch vorgeschädigter Haut sowie bei älteren Patient:innen finden sich jedoch häufiger Allergien auf Lanolin.
- Bei nachgewiesener Allergie auf Wollwachsalkohole kann alternativ ein veganes Produkt mit ähnlichen Eigenschaften verwendet werden, das ohne Lanolin hergestellt wird.
Lanolin: The 2023 American Contact Dermatitis Society Allergen of the Year
Hadley Johnson, BS; Thomas Norman, BA; Brandon L. Adler, MD; JiaDe Yu, MD. Cutis. 2023 August;112(2):78-81. DOI: https://doi.org/10.12788/cutis.0825 (vollständig unter https://cdn.mdedge.com/files/s3fs-public/CT112002078.pdf)
Multi-residue analysis of certain lanolin nipple care products for trace contaminants
Bourdillon, K., McCausland, T. & McCabe, M. BMC Chemistry 17, 8 (2023). DOI: https://doi.org/10.1186/s13065-023-00919-0
S2k-Leitlinie zum Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut (Topika)
Johannes Wohlrab Petra Staubach, Matthias Augustin, Lisa Eisert, Andreas Hünerbein, Alexander Nast, Holger Reimann, Klaus Strömer, Vera Mahler. Deutsche Dermatologische Gesellschaft e.V. (DDG). AWMF Nr. 013-092. Letzte Aktualisierung 2017, derzeit in Überarbeitung. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-092
Nachdem die Amerikanische Gesellschaft für Kontaktdermatitis Lanolin zum "Allergen des Jahres 2023" erklärt hat, ist eine rege Diskussion entstanden. Die bewährte Mamillenpflege mit Lanolin, sowohl zur Prävention von Verletzungen als auch zur Behandlung bei wunden Mamillen, wird hinterfragt und in Fachkreisen diskutiert.
Mit unserem Artikel möchten wir zur Klärung einiger Punkte beitragen und verwenden dazu die oben stehenden drei Quellen als Grundlage.
Grundsätzlich ist Lanolin ein Produkt, das durch verschiedene Waschungs-Verfahren aus Schafwolle gewonnen wird. Es enthält eine Vielzahl von Komponenten, unter anderem verschiedene Ester, Alkohole, Sterole und Fettsäuren. Lanolin wirkt hydrophob, das heißt, es bildet eine Barriere, die Wasser am Passieren hindert. Auf der menschlichen Haut macht man sich diese Eigenschaft zunutze, um das natürliche feuchte Hautmilieu zu erhalten und ein Austrocknen der Haut zu verhindern. Obwohl Lanolin Wasser blockiert, ist es gleichzeitig luftdurchgängig, so dass die darunter liegende Haut atmen kann. Somit wird es häufig zur Unterstützung der Wundheilung und zum Schutz von Infektionen offener Wunden eingesetzt.
Schon seit 1920 gibt es Hinweise darauf, dass Lanolin auch allergen wirken kann. Seither haben weitere sogenannte Patch-Tests mit verschiedenen Lanolin-Anteilen gezeigt, dass vor allem bestimmte Wollwachsalkohole für diese Allergien verantwortlich sind. Allerdings gibt es bis heute keine standardisierten vergleichbaren Test-Verfahren für alle Anwendungsfälle, zudem sind nicht alle scheinbar positiven Tests auch gleich ein Hinweis auf eine tatsächliche Allergie – die deutsche S2k-Leitlinie zum Gebrauch von Präparationen zur lokalen Anwendung auf der Haut (Topika) vermerkt, dass es sich bei schwach positiven Testergebnissen meist eher um "irritative Reaktionen" handelt.
Hinzu kommt, dass vor allem ältere Menschen und Patient:innen mit bereits vorbestehenden chronischen Hauterkrankungen anfällig für eine Sensibilisierung auf Lanolin sind, wohingegen Menschen mit gesunder Haut nahezu nie auf Lanolin reagieren.
Die Forschung geht davon aus, dass vor allem die sogenannten "freien Lanolin-Fettalkohole (FLA)" für Allergien verantwortlich sind und dass Produkte, die unter 3% FLAs enthalten, als hypoallergen zu bewerten sind. Die auf dem deutschsprachigen Markt erhältlichen Produkte zur Mamillenpflege halten diesen Grenzwert ein und gelten daher als hypoallergen laut Europäischem Arzneibuch.
Aus unserer Sicht sollte mit dem vorliegenden Wissen zwischen "Standard-Lanolin" und "Lanolin-Produkten zur Mamillenpflege" unterschieden werden: auch wenn viele Kosmetika, Cremes und Salben "normales" Lanolin enthalten und Fachgesellschaften in Bezug auf potentielle Allergien hier zur Vorsicht raten, ist die Anwendung von Lanolin zur Mamillenpflege anders zu bewerten. Das Allergiepotential dieser Produkte wurde durch spezielle Reinigungsverfahren gesenkt, zudem wird Lanolin zur Mamillenpflege typischerweise auf Hautstellen verwendet, die nicht durch chronische Hauterkrankungen vorgeschädigt sondern allenfalls akut betroffen sind. Der Einsatz erfolgt für kurze Zeit (meist über wenige Tage bis Wochen) und nicht dauerhaft.
Über den Magen-Darm-Trakt sind keine Sensibilisierungen auf Lanolin bekannt, die Anwendung ist also auch für das Baby sicher.
Wenn eine bekannte Allergie auf Lanolin vorliegt oder stillende Mütter aus anderen Gründen auf Lanolin verzichten möchten, kann alternativ ein veganes Produkt mit vergleichbaren Eigenschaften gewählt werden, das ebenfalls die natürliche Hautfeuchtigkeit erhält und somit zu Prävention und Heilung beiträgt.
© November 2023, Anja Bier, IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Rhiannon Grill, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Simone Lehwald, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC;
Gudrun von der Ohe, IBCLC