Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Late preterm- und Early term-Säuglinge brauchen besondere Unterstützung beim Stillstart

Anlage zum Newsletter Mai 2016

Reduced Breastfeeding Rates in Firstborn Late Preterm and Early Term Infants
Hackman Nicole M., Alligood-Percoco Natasha, Martin Ashley, Zhu Junjia, and Kjerulff Kristen H. Breastfeeding Medicine 2016 11 3 , 119 -125. doi:10.1089/bfm.2015.0122

Lange Zeit wurden Kinder, die nur wenige Wochen vor dem errechneten Termin geboren wurden und gesundheitlich weitgehend unauffällig waren, derselben Routine unterzogen wie reif geborene Kinder. Insbesondere bezüglich des Stillstarts wurden diese Mutter-Kind-Paare nicht als „frühgeboren“ betrachtet, was nach jüngsten Untersuchungen dazu geführt hat, dass zwischenzeitlich selbst deutlich früher geborene, „echte“ Frühgeborene schließlich erfolgreicher gestillt werden als die Late preterm- und Early term-Kinder. Erst in den letzten Jahren wird deutlich, dass uns diese Mutter-Kind-Paare im Grunde durch die Maschen geschlüpft sind.

Immer mehr Daten belegen nun, dass Late preterm- und Early term-Säulinge unserer speziellen Aufmerk-samkeit bedürfen und dass diese Mutter-Kind-Paare für einen erfolgreichen Stillstart intensivere Betreuung und entsprechendes Fachwissen des Personals benötigen.

Eine aktuell in Breastfeeding Medicine veröffentlichte Studie aus Pennsylvania, USA, beschäftigt sich mit der Frage, welche Auswirkung das Gestationsalter auf den Stillerfolg hat. Es zeigte sich, dass die Geburt im Late preterm- oder Early term-Zeitraum mit einem erhöhten Risiko einhergeht, nicht innerhalb der ersten Stunde nach Geburt gestillt zu werden. Zudem wurde klar, dass diese Kinder im Alter von einem Monat seltener ausschließlich gestillt werden und höhere Risiken für verschiedene Erkrankungen und eine erhöhte Sterblichkeit tragen – was ebenfalls in Zusammenhang mit der geringeren Stillrate und der verspäteten Initiierung des Stillens stehen könnte.

In einem begleitenden → Kommentar zur Studie schreibt Arthur I. Eidelman, dass die Umsetzung der „10 Schritte zum erfolgreichen Stillen“ für diese Gruppe der Neugeborenen nicht ausreicht, um sie adäquat an das Stillen heranzuführen. Es bedarf intensiverer und koordinierter Maßnahmen und eines neuen Bewusstseins für diese spezielle Gruppe von Neugeborenen.

Die Studie (englisch) kann derzeit kostenfrei und vollständig → hier nachgelesen werden.

Anmerkungen des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation:

Wir empfehlen und unterrichten in unseren Seminaren bereits seit einiger Zeit folgende Herangehensweise (Auszug aus unserem Skriptum für Basisschulungen, 2016):

Typische Unterschiede zwischen Late Preterm und einer Termingeburt im Hinblick auf die Nahrungsaufnahme:
- Unreife des Gehirns
- Unreifes Schlaf- und Wachverhalten
- Erschwerte Koordination von Schlucken und Atmen
- Niedrigerer Muskeltonus
- Gesteigerte Reaktion auf Stressfaktoren

Häufig sind sie am ersten Tag nach der Geburt noch wach und aktiv, danach ergibt sich oft ein überraschend schwieriger Stillbeginn, klinische Beobachtungen zeigen ab dem zweiten Tag häufig müde und schwer zu aktivierende Kinder.
Mütter dieser Babys benötigen besonders viel Unterstützung und Ermutigung zum ausschließlichen Stillen. Die Babys müssen von Anfang an regelmäßig zum Stillen animiert und geweckt werden, um die Milchproduktion in Gang zu halten und genügend Nahrungsaufnahme zu gewährleisten.

Um Problemen vorzubeugen, sollten die ersten 24 Stunden intensiv genutzt werden:
Das späte Frühgeborene wird in diesen ersten Stunden nach der Geburt sehr häufig angelegt und erhält immer wieder zusätzlich Kolostrum, welches per Hand entleert wurde. Dies kann an der Brust, mit Spritze und Sonde oder mit dem Löffel erfolgen.

Angelehnt an Walker (2014) kann sich die Stillfrequenz/ Muttermilchgabe am Tag 1 nach diesem Schema richten:
- Stillen/Muttermilchgabe innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt
- 1x pro Stunde Stillen/Muttermilchgabe in den darauffolgenden vier Lebensstunden
- Danach alle zwei bis drei Stunden am 1.Lebenstag

Wichtige Maßnahmen für den Aufbau einer Stillbeziehung bei Late Preterm Babys und bei allen anderen schläfrigen Kindern:
- Ausgedehnter direkter Hautkontakt
- Wecken, Sprechen mit dem Baby, Massagen
- Schnelles Reagieren auf Stillzeichen
- Frühgeborenen-/ Rückenhaltung/ Intuitives Stillen, ggf. Stillpositionen wechseln
- Auslösen des Milchspendereflexes, Brustkompression während des Stillens
- Bei saugschwachen Kindern: DanCer-Hold
- Evtl. Einsatz eines Stillhütchens
- Power-Pumping zur effektiven Steigerung der Milchmenge ab Tag 2
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Referenzen
• Nindl, G.; Von der Ohe, G.; Kämmerer, B.; Sams, E.: Die Praxis die Stillen des Frühgeborenen. Aus: Kühn, Thomas (Hrsg.): Muttermilchernährung bei Frühgeborenen, 1. Auflage, Bremen, Uni-Med Verlag, 2015
• Walker M. Beyond the Initial 48 – 72 Hours: Infant Challenges. Breastfeeding Management for the Clinician – Using the Evidence, 4. Auflage. Burlington: Jones and Bartlett. 2017;6:450

© Mai 2016, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation

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