Stillen fördern

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Raman Microspectroscopy Detection and Characterisation of Microplastics in Human Breastmilk
Ragusa A, Notarstefano V, Svelato A, Belloni A, Gioacchini G, Blondeel C, Zucchelli E, De Luca C, D'Avino S, Gulotta A, Carnevali O, Giorgini E. Polymers (Basel). 2022 Jun 30;14(13):2700. https://doi.org/10.3390/polym14132700
Microplastic release from the degradation of polypropylene feeding bottles during infant formula preparation
Li, D., Shi, Y., Yang, L. et al. Nat Food 1, 746–754 (2020). https://doi.org/10.1038/s43016-020-00171-y
Isolation and identification of microplastics in infant formulas – A potential health risk for children
Kadac-Czapska K, Jutrzenka Trzebiatowska P, Mazurkiewicz M, Kowalczyk P, Knez E, Behrendt M, Mahlik S, Zaleska-Medynska A, Grembecka M. Food Chem. 2024 May 15;440:138246. https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2023.138246
Muttermilch wird seit Jahrzehnten weltweit als beliebtes Messinstrument genutzt, um den Gehalt von Schadstoffen, den unser menschlicher Organismus unbemerkt über Jahre aufnimmt, zu untersuchen. Als Monitoring, das regelmäßig wiederholt wird, können auf diese Weise z.B. die Auswirkungen von Verboten bestimmter Chemikalien im zeitlichen Verlauf beobachtet werden.
Immer wieder kommt es durch die Veröffentlichung dieser Daten zu Verunsicherung – z.B. wurde in den 1990er Jahren die Dioxin-Belastung von Muttermilch in der Öffentlichkeit breit diskutiert (s. dazu das → BfR-Statement 08/2000). Rund um die Jahrtausendwende wurden Polybromierte Diphenylether (PBDE), die zu den Flammschutzmitteln gehören, in Muttermilch gefunden (s. dazu das → BfR-Statement von 07/2005). 2015/2016 gab es eine Debatte über Glyphosat in Muttermilch (s. dazu das → BfR-Statement von 02/2016) und seit einigen Jahren werden PFAS (Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen diskutiert (s. dazu das → Statement der Nationalen Stillkommission 01/2021). Letztes Jahr wurden erstmals Bromierte Flammschutzmittel in Muttermilch von US-amerikanischen Frauen entdeckt (→ Studie von Schreder et al., 2023).
Regelmäßig weisen wissenschaftliche Stellungnahmen von nationalen und internationalen Organisationen darauf hin, dass das Stillen trotz dieser Funde weiterhin klar zu empfehlen und der Ernährung mit künstlicher Säuglingsnahrung vorzuziehen ist (siehe z.B. dazu: → BfR-Statement "Stillen ohne Wenn und Aber" 06/2005 und → "Fremdstoffe und Krankheitserreger in der Muttermilch – Ein Risiko für das Kind?" im Bundesgesundheitsblatt 06/2018)
Der Gehalt an schädlichen Stoffen wie den oben erwähnten Dioxinen, PBDEs und PFAS geht seit Jahren stetig zurück (nicht zuletzt auch, weil einige dieser Chemikalien verboten oder eingeschränkt wurden), dafür werden aufgrund verbesserter Analysemethoden und neuer Entwicklungen der chemischen Industrie immer wieder auch neue Schadstoffe in Muttermilch entdeckt.
Gleichzeitig ist zu bedenken, dass selbstverständlich auch Kuhmilch, aus der künstliche Säuglingsnahrung hergestellt wird, ähnlichen Umweltbelastungen ausgesetzt ist wie Frauenmilch. Die Herstellungsverfahren der Säuglingsnahrung tragen zusätzlich zu potentieller Verunreinigung mit Reinigungsmitteln, Mineralölen oder anderen Chemikalien bei, so dass künstliche Säuglingsnahrung keineswegs frei von Schadstoffen ist. Daher untersucht beispielsweise die Stiftung ÖKOTest regelmäßig Säuglingsanfangsnahrungen (zuletzt → PRE-Nahrungen 2022 und → 1er-Nahrungen 2024).
Nun gibt es ein neues Thema, das für Debatten sorgt: Mikroplastik. Es wurde mittlerweile selbst in den entlegendsten Regionen der Welt gefunden, in Gewässern, an Land und auch in Tieren und Menschen. Der deutschsprachige → Wikipedia-Artikel zu Mikroplastik bietet einen guten Überblick über das Problem.
Mikroplastik wurde bereits in verschiedenen menschlichen Organen nachgewiesen, auch in unserem Blut findet es sich – und 2021 zeigten mehrere Studien, dass es in der Plazenta ebenso nachweisbar ist wie in Mekonium und dem Stuhl von Säuglingen. Einen guten Überblick dazu bietet der Review-Artikel von → Kam Sripada et al. (2022), der sich mit den Funden und Auswirkungen von Mikroplastik auf Kinder beschäftigt.
Wenig überraschend wurde Mikroplastik auch in Muttermilch gefunden, was nun kürzlich für Aufregung sorgte, als eine Autorin in einem → Artikel der Wahington Post provokant fragte, ob das Stillen ihres Kindes dadurch nun schädlich sei (der Artikel kann mit einer kostenlosen Registrierung ohne Bezahlschranke gelesen werden). Sie bezieht sich dabei auf die 2022 veröffentlichte Studie von Antonio Ragusa et al., die erstmals in einer kleinen Pilotstudie Mikroplastik-Partikel in menschlicher Muttermilch nachwiesen. Die Studie ist vollständig im open access Verfahren veröffentlicht und → hier nachzulesen.
Selbstverständlich ändert auch diese Studie nichts daran, dass Stillen weiterhin uneingeschränkt empfohlen wird, doch es lohnt sich, ergänzend auch einen Blick auf die Alternative zum Stillen, die Flaschenernährung zu werfen:
Bereits 2020 zeigte ein Forscherteam aus Irland, dass eine hohe Konzentration von Mikroplastik-Partikeln über die Zubereitung in Polypropylen-Flaschen (PE-Flaschen) zum Kind gelangt. Dies ist einerseits dem geschuldet, dass die Flaschen üblicherweise regelmäßig sterilisiert werden, und dass dann zusätzlich durch die hohe Wassertemperatur und das Schütteln beim Zubereiten der Nahrung weitere Partikel aus dem Plastik gelöst werden. Die Studie ist → hier vollständig erhältlich.
Im Grundsatz entsteht das Problem auch, wenn statt Formulanahrung Muttermilch aus PE-Flaschen verfüttert wird. Die Sterilisation der Flaschen erhöht auch hier die Zahl der anschließend an der Wand der Flasche gelösten und haftenden Mikropartikel, die dann in die Milch gespült werden, wenn die Flasche befüllt wird. Auch die Erwärmung der Milch in der Mikrowelle (von der ja eigentlich sowieso abgeraten wird), erhöht die Zahl der Mikropartikel deutlich.
Doch nicht nur die Flaschen stellen ein Problem dar: auch das Pulver der Formulanahrung selbst enthält Mikroplastik, was vor allem der Verpackung und z.B. dem Beilegen und Verwenden eines Plastik-Messlöffels geschuldet ist, wie eine aktuelle polnische Studie zeigt. Auch der Produktionsprozess der Nahrung trägt zur Verunreinigung mit Mikroplastik-Partikeln bei – teilweise beginnt dies schon bei den Melkmaschinen und Behältern, mit denen die Kuhmilch vor der Verarbeitung zu Säuglingsnahrung in Berührung kommt. Die Studie → hier vollständig erhältlich.
© März 2024, Anja Bier, IBCLC
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