Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Neues ABM-Protokoll Nr. 29: Eisen, Zink und Vitamin D in Muttermilch

Anlage zum Newsletter Juli 2018

ABM Clinical Protocol #29: Iron, Zinc, and Vitamin D Supplementation During Breastfeeding
Sarah N. Taylor and The Academy of Breastfeeding Medicine. Breastfeeding Medicine, Volume: 13 Issue 6 (July 2018). https://doi.org/10.1089/bfm.2018.29095.snt

Immer wieder wird über die Frage debattiert, ob ein ausschließlich gestilltes Kind alle Nährstoffe in ausreichender Höhe allein durch die Muttermilch erhält oder ob es nötig ist, zu supplementieren. In den letzten Jahren hat es dazu einige Studien gegeben, insbesondere die Vitamin-D-Supplementierung wurde intensiv untersucht und diskutiert. Nun konsolidieren sich die Ergebnisse allmählich und die ABM hat im Juli 2018 ein neues Protokoll herausgegeben, das den aktuellen Stand der Forschung zur Supplementierung von Eisen, Zink und Vitamin D vorstellt.
Die Protokolle der ABM gelten weltweit als Klinische Leitlinien und Empfehlungen für evidenzbasiertes Vorgehen auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Sie werden in regelmäßigen Abständen überprüft und aktualisiert.

EISEN
Eine ausreichende Eisenversorgung ist nicht nur notwendig, um eine Eisenmangelanämie zu verhindern, sondern ist im Säuglingsalter auch für die Gehirnentwicklung von entscheidender Bedeutung. Reifgeborene Kinder werden mit einem Eisenspeicher geboren, der sich im Lauf der Schwangerschaft aufgebaut hat und für ungefähr 4 - 6 Monate ausreicht. Frühgeborene und Säuglinge von Müttern, die während der Schwangerschaft unter einem Eisenmangel litten, konnten einen kleineren Speicher aufbauen. Auch Muttermilch enthält Eisen in einer Form, die für den Menschen gut bio-verfügbar ist, also gut aufgenommen werden kann.
Die kombinierte Versorgung des reifgeborenen Säuglings durch seinen Speicher und die Muttermilch stellt für 4 - 6 Monate die Eisenversorgung sicher. Eine Supplementierung ist in diesem Fall nicht nötig und kann sogar negative Effekte auf das Wachstum und/oder die Kupfer-Aufnahme haben, wie einige kleinere Studien zeigten. Die Empfehlungen der ABM lauten daher, genau wie die der ESPGHAN (European Society for Pediatric Gastroenterology, Hepatology, and Nutrition): eine nicht anämische stillende Mutter benötigt weder für sich selbst noch für ihren reifgeborenen Säugling eine Eisen-Supplementierung. Mit Einführung der Beikost sollten eisenhaltige Nahrungsmittel angeboten werden.
Für Frühgeborene gelten andere Empfehlungen, hier sollte von Beginn an Eisen supplementiert werden.

ZINK
Zink ist an vielen Prozessen des Körpers beteiligt und z.B. wichtig für die Bildung von Enzymen, verschiedene Stoffwechselvorgänge und das Immunsystem. Die verfügbaren Studien untersuchten das Ergebnis sowohl von mütterlicher als auch kindlicher Zink-Supplementierung. In beiden Fällen war kein positiver Effekt auf das Wachstum oder die Gesundheit der Kinder feststellbar.
Daher lauten die Empfehlungen der ABM: es ist keine Zink-Supplementierung für Mutter oder Kind notwendig.

VITAMIN D
Seit einigen Jahren rückt die Vitamin-D-Versorung der Bevölkerung weltweit mehr und mehr in unser Bewusstsein. Vitamin D ist für Knochenaufbau und -stabilität, aber auch für das Immunsystem von Bedeutung. Ein schwerer Vitamin-D-Mangel, Rachitis genannt, nimmt seit einiger Zeit weltweit wieder zu. Vitamin D kann im Normalfall nicht in ausreichender Menge über die Muttermilch zur Verfügung gestellt werden, weil die weltweite Unterversorgung mit Vitamin D auch die meisten Mütter betrifft. In den vergangenen Jahren haben sich daher etliche Studien damit beschäftigt, ausreichende und zugleich sichere Dosierungen einer notwendigen Vitamin-D-Supplementierung für stillende Mütter und ihre Kinder zu erforschen.
Weltweit wird derzeit eine direkte Supplementierung in Form von Tropfen oder Tabletten für den gestillten Säugling empfohlen, die in Höhe von täglich 400 - 800 IU liegen sollte (national unterschiedlich). Mütter sollten in diesem Fall ebenfalls für ihre eigene Versorgung 400 IU täglich zu sich nehmen.
Eine bisher weniger bekannte Methode ist ebenfalls möglich: Mütter können mit einer hohen Dosierung ausreichend Vitamin D zu sich nehmen, um sowohl sich selbst als auch ihr Stillkind über die Muttermilch ausreichend zu versorgen. Dazu ist nach einer Studie eine Dosierung von 6.400 IU täglich notwendig (untersucht wurde der Zeitraum bis 7 Monate). Eine andere Studie deckte mit 5.000 IU täglich den Bedarf (untersucht wurden hier nur die ersten 28 Tage, und auch eine Einmalgabe von 150.000 IU deckte den Bedarf über 28 Tage). Nachdem eine Studie in 2017 (wir berichteten → hier) zeigte, dass in den USA nur ein geringer Anteil der jungen Eltern ihren Säuglingen wie empfohlen die tägliche Vitamin-D-Dosis verabreichte und dass Mütter angaben, dass sie lieber selbst ein Präparat einnehmen würden, kann das durchaus eine empfehlenswerte Alternative sein.

Das ABM-Protkoll (im englischen Original) finden Sie vollständig → hier
Zur Studie von 2016, die die mütterliche Versorgung mit 6.400 IU über 7 Monate durchführte, gibt es übrigens eine ausführliche deutsche Zusammenfassung → hier.


Übrigens:
Eine weitere interessante Studie, die sich mit dem Thema "Vitamin D peri- und postnatal" beschäftigt, zeigte kürzlich, dass eine Supplementierung der Mutter in der Schwangerschaft und Wochenbettzeit sowohl bei der Mutter als auch beim Säugling eine epigenetische Veränderung auslöst. Wie diese genau zu bewerten ist, bleibt abzuwarten. Fraglich ist hier zum Beispiel, ob diese Veränderung nicht sozusagen den "Normalzustand" unseres Körpers wieder herstellt, der vor Urzeiten, als wir nomadisch und den gesamten Tag unter freiem Himmel lebten, vermutlich einen weitaus höheren natürlichen Vitamin-D-Spiegel mit sich brachte. Das Abstract der Studie finden Sie → hier.

© Juli 2018, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation

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