Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Neues ABM Protokoll Nr. 31: Radiologische und nuklearmedizinische Untersuchungen bei Frauen in der Stillzeit

Anlage zum Newsletter Oktober 2019

ABM Clinical Protocol #31: Radiology and Nuclear Medicine Studies in Lactating Women
Katrina B. Mitchell, Margaret M. Fleming, Philip O. Anderson, Jamie G. Giesbrandt, and the Academy of Breastfeeding Medicine. Breastfeeding Medicine, Volume 14, Number 5, 2019. https://doi.org/10.1089/bfm.2019.29128.kbm

Die regelmäßig aktualisierten Protokolle der ABM (Academy of Breastfeeding Medicine) dienen als Richtlinie zur Handhabung von gängigen medizinischen Fragestellungen, die den Stillerfolg beeinflussen können. Das neu erstellte Protokoll Nr. 31 beschäftigt sich mit radiologischen- und nuklearmedizinischen Untersuchungen bei Frauen in der Stillzeit.

Immer wieder müssen sich auch stillende Frauen einer diagnostischen Bildgebung und/oder einem nuklearmedizinischen Diagnoseverfahren unterziehen. Obwohl die überwiegende Mehrheit der Untersuchungen keine Unterbrechung des Stillens erfordern, werden Frauen diesbezüglich noch häufig falsch beraten.
Dem aktuellen Protokoll vorangehend wurde im Frühjahr 2019 das Protokoll Nr. 30 veröffentlicht, das sich speziell mit diagnostischen und bildgebenden Verfahren der Brust in Schwangerschaft und Stillzeit beschäftigt (wir berichteten → hier). Die beiden Protokolle Nr. 30 und 31 ergänzen sich und sollten daher gegebenenfalls gemeinsam berücksichtigt werden, wenn eine Entscheidung zu treffen ist.

Das aktuelle Protokoll listet die häufigsten Untersuchungsverfahren auf, die keine Unterbrechung der Stillzeit erfordern:

• Ultraschalluntersuchungen
• Kontrastfreie Röntgenaufnahmen
• CT mit jodiertem intravenösem Kontrastmittel (weniger als 1% der verabreichten mütterlichen Dosis kann in der Muttermilch nachgewiesen werden).
• MRT mit intravenösem Kontrastmittel auf Gadoliniumbasis (lt. dem American College of Radiology (ACR) ist nach der Verabreichung von intravenösem gadoliniumbasiertem Kontrastmittel keine Stillpause indiziert. Weniger als 0,04% der verabreichten mütterlichen Dosis wird von der Muttermilch aufgenommen. Das Kind nimmt eine systemische Dosierung von <0,0004% der intravenösen Dosis, die der Mutter gegeben wurde, auf).
• Mammographie (es gibt keine Kontraindikationen für die Durchführung einer Mammographie während der Laktation. Das Stillen oder Abpumpen von Milch vor der Mammographie wird empfohlen, um die parenchymale Dichte zu verringern und damit die Darstellung der Mammographie zu verbessern).

Zu bildgebenden Verfahren mit jodierten Kontrastmitteln, die oral, rektal oder durch die Harnröhre verabreicht werden, gibt es wenig Evidenzen. Die ABM empfiehlt aber, basierend auf den bekannten Daten zur Resorption und dem Übergang solcher Substanzen in die Muttermilch, das Stillen nicht zu unterbrechen.

Im Bereich der Nuklearmedizin existieren bislang keine einheitlichen Empfehlungen der internationalen Fachgesellschaften zur Frage, ob eine Stillpause oder sogar das Abstillen aufgrund einer nuklearmedizinischen Untersuchung notwendig ist. Die ABM beruft sich auf die Nuclear Regulatory Commission (NRC), die International Commission on Radiological Protection (ICRP) und die International Atomic Energy Agency (IAEA), die an einigen Stellen jeweils voneinander abweichende Empfehlungen aussprechen.

Als Faustregel gilt, dass Strahlungsdosen unter 100 mrem (1 mSV) grundsätzlich keine Unterbrechung des Stillens erfordern. Für einzelne Substanzen gibt es weitere Empfehlungen:

• FDG (häufig verwendet bei PET-Untersuchung): die Substanz FDG geht nicht in die Muttermilch über, aufgrund der radioaktiven Strahlung wird jedoch eine räumliche Trennung von Mutter und Kind für 12 Stunden empfohlen; abgepumpte Muttermilch kann gegeben werden.
• Tc-99m MDP (bei Knochenmessungen verwendet): da nur ein minimaler Übergang in die Muttermilch stattfindet, kann ohne Unterbrechungen weitergestillt werden.
• Jod I-131 (meist für Behandlung von Schilddrüsenkarzinomen verwendet): Komplettes Abstillen erforderlich, es wird empfohlen, schon 4 Wochen vor Beginn der Therapie abzustillen. Dies reduziert die Strahlenbelastung der Brust und verhindert ein potentielles Austreten von radioaktiv kontaminierter Muttermilch auf die Kleidung.
• Jod I-123 (häufig für bildgebende Darstellung der Schilddrüse verwendet): Die Empfehlungen variieren hier, einige Quellen halten keine Unterbrechung für nötig, andere empfehlen eine Stillpause von bis zu 3 Wochen. Eventuell kann die Muttermilch vor der Gabe an das Kind auf Strahlung getestet werden.
• Tc-99m Pertechnetat und Tc-99m MAA (häufig für bildgebende Darstellung der Schilddrüse und Herzuntersuchungen verwendet): Reichert sich in der Muttermilch an, eine Stillunterbrechung sollte dosisabhängig zwischen 12 und 24 Stunden dauern (manchmal Empfehlung von nur 4 Stunden). Aufgrund der kurzen Halbwertszeit von 6 Stunden kann Muttermilch abgepumpt und gekühlt/eingefroren werden, bis mindestens 10 Halbwertszeiten/ 60 Stunden vergangen sind. Dann kann die Milch verfüttert werden.
• Tc-99m DTPA, Tc-99m MAG3, Tc-99m DMSA und Tc-99 Glucoheptonat (alle häufig für Untersuchungen der Niere verwendet): alle 4 Substanzen erfordern keine Stillunterbrechung.
• Tc-99m sestamibi und Tc-99m tetrofosmin (häufig für kardiale Untersuchungen verwendet): Es ist keine Stillunterbrechung notwendig.

Das Protokoll weist darauf hin, dass die Wirkung von intravenösen Kontrastmitteln und der am häufigsten verwendeten Radionuklide schon gut untersucht wurden, jedoch weitere Forschung durchgeführt werden sollte. Außerdem sollten in der Stillzeit nach Möglichkeit stets diagnostische/therapeutische Verfahren verwendet werden, die keine Stillunterbrechung nötig machen.

Das vollständige Protokoll (englisch) steht → hier zur Verfügung.

Anmerkung des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation:
Im deutschsprachigen Raum sind neben dem ABM-Protokoll auch die Empfehlungen des Embryotoxikologischen Instituts in Berlin von Bedeutung (www.embryotox.de). Es empfiehlt sich, vor einer Unterbrechung des Stillens oder des Abstillens zunächst Kontakt mit der Embryotox aufzunehmen, um das Stillen nach Möglichkeit weiterführen zu können.

© Oktober 2019, Elisabeth Weitlaner (IBCLC) und Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation

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