Stillen fördern

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Obesity and lack of breastfeeding: a perfect storm to augment risk of breast cancer?
Ormiston K, et al., Front Oncol. 2024 Okt 25;14:14:4232208. https://doi.org/10.3389/fonc.2024.1432208
Brustkrebs ist international die häufigste Form von Krebs, mit mehr als 1 von 8 Frauen, die in ihrem Leben diagnostiziert werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an Brustkrebs stirbt, liegt bei etwa 1 zu 39, was Brustkrebs weltweit zur zweittödlichsten Form von Krebs bei Frauen macht.
Sogenannte "dreifach negative Brustkrebsfälle (Triple Negative Breast Cancer – TNBC)" haben im Allgemeinen eine besonders schlechte Prognose, da sie im Vergleich zu allen anderen Subtypen von Brustkrebs durch aggressives Wachstum und Invasivität gekennzeichnet sind. Dieser Brustkrebs-Subtyp wird TNBC genannt, weil er negativ bezüglich des Vorhandensein von Östrogenrezeptor (ER), Progesteronrezeptor (PR) und humanem epidermalem Wachstumsfaktor-Rezeptor 2 (HER2) ist und es bisher keine gezielte Therapie gibt.
Es gibt zahlreiche Risikofaktoren für TNBC, einschließlich Alter, Alter bei Menarche, Multiparität, prämenopausales Übergewicht, fehlendes Stillen nach einer Schwangerschaft und die Dauer des Stillens. Jede Schwangerschaft mit anschließendem Nicht-Stillen erhöht das Risiko. TNBC tritt außerdem bei Frauen mit BRCA1-Mutationen häufiger auf.
Bereits bekannt ist, dass Adipositas ein unabhängiger Risikofaktor für verschiedene Krankheiten und Krebsarten ist. Der Zusammenhang mit Brustkrebs im Speziellen ist umstrittener, denn es scheint nicht allein auf den BMI anzukommen, sondern die Menge an Bauchfett (die Größe des Taillen-Hüft-Verhältnisses) spielt offenbar eine Rolle.
Übergewichtige oder adipöse Personen haben typischerweise mehr Fettgewebe in ihrer Brust als schlanke Menschen. Fettzellen bilden jedoch eine Reihe von Hormonen und Zytokinen (sogenannte Adipokine), die erst in den letzten Jahren entdeckt wurden und das Brustkrebsrisiko zu triggern scheinen. Besonders im Fokus der Wissenschaft stehen dabei die Faktoren Leptin, Adiponectin und Resistin.
Ein aktueller Review-Artikel hat sich speziell mit den Zusammenhängen zwischen Adipositas, Brustkrebs und Stillen bzw. Nicht-Stillen beschäftigt, insbesondere mit dem Zusammenhang des besonders aggressiven TNBC-Subtyps.
Bereits bekannt ist, dass pro Jahr, in dem eine Frau Stillt, ihr Brustkrebsrisiko um 4,3% sinkt – auch ein erhöhtes TNBC-Risiko lässt sich durch das Stillen reduzieren.
Die Brust durchläuft während der Schwangerschaft in Vorbereitung auf die Laktation eine Umbauphase, bei der auch Zellabfall entsorgt wird und eine verbesserte DNA-Reparatur eine Rolle spielt. Später sorgt die Muttermilch z.B. durch den HAMLET-Komplex ((Human Alpha-lactalbumin Made Lethal to Tumor cells) für die Apoptose von Tumorzellen, ohne gesunde Zellen zu tangieren.
Die Autor:innen des aktuellen Artikels beschreiben, dass das Nicht-Stillen nach Geburt (im Grunde nichts anderes als ein abruptes Abstillen mit rascher Involution der Brustdrüse) einen besonderen Risikofaktor darstellt. Dies gilt auch für ein Stillen unter 3 Monaten.
Eine schnelle Involution sorgt für den Zelltod epithelialer Zellen, die sich anschließend in den Alveolen sammeln. In den nachfolgenden Tagen bricht auch die extrazelluläre Struktur zusammen, so dass Alveolen und Gewebe absterben. Fettzellen wandern ein und bauen die Brust zurück zum Stadium vor der Schwangerschaft. Wenn dieser Prozess langsam und allmählich nach einer Stillzeit von mindestens 6 Monaten stattfindet, verläuft der Umbau des Brustgewebes geordneter und schrittweise.
Ein rasches Abstillen führt zu entzündlichen Prozessen im Brustgewebe. Auch Adipositas führt zu einer gewissermaßen chronisch inflammatorischen Lage, so dass es zwischen Nicht-Stillen und adipositasassoziierter Inflammation Parallelen gibt. Beide Faktoren führen zu einer erhöhten Entzündungslage, was die die Entstehung von Tumorzellen fördert, insbesondere durch eine Hochregulierung von Zytokinen und Makrophagen. Die Autor:innen vermuten, dass dieser Zustand somit Stimulusfaktoren darstellt, die als Folge von Adipositas und Nicht-Stillen zusätzlich auch zur Entstehung von TNBC beitragen können.
Es bleibt ein wichtiges Ziel, Frauen bei ihrer Entscheidung zum Stillen so zu unterstützen, dass sie erfolgreich über einen längeren Zeitraum stillen können. Besonders relevant ist dies für adipöse Frauen, die sich häufiger gegen das Stillen entscheiden oder früher als geplant abstillen.
Wenn Frauen sich zum Abstillen entscheiden, ist ein langsames, schrittweises Abstillen physiologischer und reduziert offenbar auch das Risko für entzündliche Prozesse in der Brust.
Der Artikel (englisch) ist vollständig frei verfügbar → hier. Außerdem hat das Deutsche Ärzteblatt einen zusammenfassenden → Artikel dazu veröffentlicht.
© Februar 2025, Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC
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