Stillen fördern

Mit Ihrer Hilfe können wir fundiertes Fachwissen und nützliche Dokumente für die Praxis weiterhin kostenfrei auf unserer Webseite zur Verfügung stellen.Spenden
Unsere Fachinformationen werden regelmäßig überprüft und ergänzt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 3/2021
Der Schnuller ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet, vom Säugling bis ins Kleinkindalter. Unter Fachkräften wird der Einsatz jedoch kontrovers diskutiert: Stillexpert:innen betrachten ihn meist kritisch, insbesondere wenn er schon in den ersten Tagen nach der Geburt eingesetzt wird. Manche Mediziner:innen halten ihn hingegen für unverzichtbar und die Industrie hat ein großes Interesse am Verkauf und suggeriert, verschiedene Formen oder Größen seien sinnvoller als andere.
In diesem Spannungsfeld bewegen sich junge Eltern, die sich für oder gegen einen Schnuller entscheiden. Wir möchten Ihnen mit dieser Seite einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft, praktische Tipps und Erfahrungsberichte sowie fachliche Stellungnahmen geben.
Als gesichert gilt, dass Säuglinge ein grundsätzliches Saugbedürfnis haben, das über die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme hinaus geht (man beachte das deutsche Wort "Säugling"!). Non-nutritives Saugen beruhigt und wirkt schmerzlindernd, hilft beim Einschlafen, tröstet und erleichtert die Aktivierung des Verdauungssystems.
Insofern ist es nicht überraschend, dass Säuglinge schon früh beginnen, an ihren eigenen Händen/Fingern, an den Fingern ihrer Bezugspersonen und im Weiteren auch an anderen Objekten (z.B. den Schlappohren des Kuscheltiers, Bettdeckenzipfeln, Schmusetüchern usw.) zu saugen. Bereits im Mutterleib können bei Ultraschalluntersuchungen Föten beim Daumenlutschen beobachtet werden.
Die Fragen, die sich somit stellen:
• Sollen wir Babys einen Schnuller geben, um dieses Saugbedürfnis zu befriedigen?
• Welche Risiken bringt das mit sich?
• Wo könnten Vorteile gegenüber dem vom Kind selbstgewählten Objekt (z.B. Daumen) liegen?
Die folgenden Informationen zur Studienlage beziehen sich auf Babys, die ausschließlich oder überwiegend gestillt werden und wo der Einsatz eines Schnullers kritisch abgewogen werden muss.
Für ein Kind, das ausschließlich mit der Flasche gefüttert oder nur selten gestillt wird, ist der Einsatz eines Schnullers hingegen sinnvoll und zu empfehlen. Beachten Sie hierzu auch unsere Fachseite:
Bis heute ist die Datenlage zum Schnuller für gestillte Kinder nicht eindeutig und in Studien werden viele Dinge nicht ausreichend differenziert untersucht:
Studien, die kein präzises Studiendesign mit ausreichender Differenzierung aufweisen, können keine eindeutigen Ergebnisse zeigen. Somit sind die Auswirkungen des Schnullers auf die Etablierung des Stillens, die Risiken für das ausschließliche Stillen und auf die Gesamt-Dauer des Stillens bis heute nicht abschließend geklärt.
In den vergangenen Jahren hat sich ein weitgehender Konsens zu folgenden Punkten etabliert:
Mit ca. 6 - 8 Wochen beginnen Säugline, zu lautieren – und Erwachsene antworten darauf intuitiv. Der Schnuller kann diese Interaktion behindern und somit die Etablierung dieses frühen Dialogs stören.
Dass Babys ab einem Alter von ca. 3 Monaten vermehrt ihre Hände und später Gegenstände zum Mund führen, ist ein normaler und wichtiger Entwicklungsprozess, der nicht behindert werden sollte. Das explorierende Lutschen und Untersuchen von Dingen mit Hilfe von Lippen und Zunge ist nicht gleichzusetzen mit dem Daumenlutschen aus Gewohnheit.
Zur Form und Größe des Schnullers haben wir ein umfangreiches Informationsblatt zum Download zusammengestellt:
Ebenfalls hilfreich:
... wird nach den → "10 Schritten zum erfolgreichen Stillen" gearbeitet.
Schritt 9 lautet:
"Gestillten Kindern keine künstlichen Sauger anbieten. Eltern zu Anwendung und Risiken von Flaschen, Saugern und Schnullern beraten.."
Besonderes Augenmerk wird hier auf die ersten 4 - 6 Wochen gelegt, um die Etablierung des ausschließlichen Stillens nicht zu gefährden. Daher wird für diesen Zeitraum empfohlen, auf den Schnuller zu verzichten. Wenn Eltern sich nach entsprechender Aufklärung anders entscheiden, können sie selbstverständlich einen Schnuller in die Klinik mitbringen und verwenden.
Aufgabe von Fachpersonal ist stets, Eltern durch korrekte und industrie-unabhängige Informationen Unterstützung für ihre Entscheidungsfindung anzubieten.
... haben wir ein umfangreiches Informationsblatt für Eltern zusammengestellt, das zum Download zur Verfügung steht und viele typische Fragen von jungen Familien beantwortet:
Außerdem steht ein Handout aus der Fachzeitschrift "Laktation und Stillen" (3/2013) zur Verfügung, das Möglichkeiten aufzeigt, wie man Babys auch ohne Schnuller beruhigen kann:
Ein ausführlicher Übersichtsartikel in deutscher Sprache stammt von Mathilde Furtenbach aus dem Jahr 2013 und ist beim Georg Thieme Verlag in der Zeitschrift "Informationen aus Orthodontie & Kieferorthopädie" erschienen. Er ist eine gekürzte und leicht veränderte Fassung des Beitrags der Autorin im Buch "Myofunktionelle Therapie kompakt I – Prävention" aus dem Praesens Verlag, Wien 2013.
Er steht Ihnen unter unten stehendem Link frei zur Verfügung.
Die Masterarbeit von Ulrike Lins aus 2010 nimmt ebenfalls Bezug auf Publikationen von Furtenbach und Kolleg:innen, beschäftigt sich jedoch hauptsächlich mit dem Bezug zur praktischen Umsetzung von Präventionsempfehlungen zum Schnuller. Die Autorin hatte einige junge Mütter begleitet und festgestellt, dass die Vorhaben vor der Geburt häufig sehr von der tatsächlichen Praxis im Alltag postpartum abwichen. Hier finden Sie ihre Masterarbeit zum Nachlesen:
Internationale Empfehlungen gibt es von der American Academy of Pediatrics (AAP) in ihrem Policy-Statement zum Stillen (2012): Sie lauten, Schnuller gezielt und mit therapeutischem Hintergrund zu verwenden sowie nach erfolgreicher Etablierung des Stillens den Schnuller zum Einschlafen anzubieten.
Die International Society for the Study and Prevention of Perinatal and Infant Death (ISPID) formulieren ihre Hinweise (2013) vergleichbar.
Die Studie von Franco, P. et al → „The influence of a pacifier on infants‘ arousals from sleep.“ ; J Pediatr 2000; 136:775-9 zeigte, dass Säuglinge, die während des Schlafens einen Schnuller benutzten, niedrigere auditive Erregungsschwellen hatten als solche, die ohne Schnuller schliefen – die Kinder schliefen also weniger tief und erwachten leichter bei Geräuschen in der Umgebung. Diese Befunde könnten für das SIDS-Risiko relevant sein.
Diese Studie zeigte auch: der Unterschied zwischen Kindern mit und ohne Schnuller bestand nur bei nicht-gestillten Kindern. Gestillte Kinder hingegen hatten mit und ohne Schnuller gleichermaßen die erniedrigte Erregungsschwelle, die bei den nicht-gestillten Kindern nur die Kinder mit Schnuller aufwiesen.
Im Jahr 2011 hat die AAP folgendes Statement herausgegeben: → „SIDS and Other Sleep-Related Infant Deaths: Expansion of Recommendations for a Safe Infant Sleeping Environment“; Pediatrics2011;128:1030–1039, auf das sich diejenigen berufen, die den Schnuller als SIDS-Prophylaxe empfehlen.
Die Studie von Mach C. E. et al → „Predictors of and reasons for pacifier use in first-time mothers: an observational study“; BMC Pediatr. 2012; 12: 7 zeigt Möglichkeiten auf, Mütter und ihr Unterstützungsnetzwerk, insbesondere die Großmütter der Säuglinge, über mögliche Risiken im Zusammenhang mit der frühen und häufigen Verwendung eines Schnullers und alternative Methoden zur Beruhigung ihres Säuglings aufzuklären, um die Verwendung von Schnullern und deren potenziell negative Auswirkungen auf die Stilldauer zu reduzieren.
Die Meta-Analyse von Gabriela dos Santos Buccini et al. → „Pacifier use and interruption of exclusive breastfeeding: Systematic review and meta‐analysis“; Maternal and Child Nutrition, Volume13, Issue3, July 2017 erfasste insgesamt 46 Studien. Ziel war, herauszufinden, ob der Schnullergebrauch die Dauer des ausschließlichen Stillens verkürzt. Es zeigte sich erneut, dass die Qualität der Studien zum Schnuller bisher meist unzureichend ist keine direkten Rückschlüsse über die Gründe für bestimmte Ergebnisse zulassen. Die Autor*innen sehen aber ausreichende Gründe, weiterhin die WHO-Empfehlungen zum Schnullergebrauch für unterstützen, die den Einsatz des Schnullers nur nach etablierter Stillbeziehung und sorgfältiger Risikoabwägung empfiehlt. Sie fordern für die Zukunft qualitativ hochwertige Interventionsstudien.
Eine Studie von Schmid, K. M. et al → „The effect of Pacifier sucking on orofacial structures: a systematic literature review“ ; Prog Orthod. 2018; 19: 8 befasst sich mit den Auswirkungen des Schnullers auf die orofacialen Strukturen. Die Autor*innen ziehen den Schluss, dass es Auswirkungen gibt, aber gut konzipierte randomisierte kontrollierte Studien erforderlich sind, um nachzuweisen, welche Art von Schnullern weniger negative Effekte haben.
Mit Ihrer Hilfe können wir fundiertes Fachwissen und nützliche Dokumente für die Praxis weiterhin kostenfrei auf unserer Webseite zur Verfügung stellen.Spenden