Qualifikationen in der Stillberatung
Im deutschsprachigen Raum ist der Beruf der "Stillberater:in" nicht gesetzlich geschützt. Es gibt keine klare Definition über den Umfang und Inhalt einer Stillberatung und es ist nicht festgelegt, was Stillberater:innen können und wissen müssen. Diesem Umstand ist es geschuldet, dass sich in den letzten Jahren viele Aus- und Fortbildungen zur Stillberatung entwickelt haben, deren Qualität sowohl für Eltern als auch für das Fachpersonal schwer einzuschätzen ist.
Stillen oder Nicht-Stillen ist keine reine Lifestyle-Frage, sondern hat großen Einfluss auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Während der Stillphase können auch unerwartete Situationen auftreten, die es rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln gilt oder die erfordern, an qualifizierte Fachpersonen weiterzuverweisen. Bei entsprechend guter Ausbildung der Stillberater:in ist die Chance wesentlich größer, dass kritische Situationen, die sich auch in Form von Stillproblemen präsentieren können, erkannt werden (z.B. Gedeihstörungen, chronische Erkrankungen des Kindes, psychische Probleme oder auch schwerwiegende Erkrankungen der Mutter).
Es ist unrealistisch zu erwarten, dass eine kostengünstige Ausbildung mit möglichst wenig Aufwand qualitativ hochwertige Berater:innen hervorbringt. Wenn die Stillberatung ernst genommen wird, braucht es zudem nach der Ausbildung auch kontinuierliche Fortbildungen. Industrieunabhängige Aus- und Fortbildungen bringen jedoch Kosten mit sich und finden oft nicht direkt vor der eigenen Haustüre statt. Somit ist dies mit einem gewissen finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden.
Ein Überblick über verschiedene Ausbildungskonzepte und Titel
Der Ausbildungserfolg hängt zu einem erheblichen Teil von der Qualität und Erfahrung der Dozent:innen im Bereich der Laktationsmedizin und ihren pädagogischen Fähigkeiten ab. Auch Erfahrung in der Vermittlung von Kommunikationstechniken für den Beratungsalltag sind unabdingbar.
Nicht zu unterschätzen ist auch der persönliche Kontakt und Austausch mit den Vortragenden und anderen Teilnehmer:innen während der Seminare, sowie praktisches Lernen und Üben. Dies können reine Online-Fortbildungen nicht oder nur schwer erfüllen.
Ausbildungen für Personen ohne medizinischen Grundberuf
Die ersten Stillberater:innen, die sich als solche bezeichneten, entstanden Mitte des 20. Jahrhunderts im US-amerikanischen Raum. Wie damals arbeiten auch heute noch die meisten Stillberater:innen ohne medizinischen Grundberuf vor allem auf ehrenamtlicher Basis und unterstützen stillende Mütter/ Familien im Sinne der "Mutter-zu-Mutter-Beratung". Im deutschsprachigen Raum bieten die beiden großen Organisationen LLL und AFS ehrenamtliche Stillberatung an.
La Leche Liga Deutschland e. V. (LLLD)
Die La Leche Liga Deutschland e.V. wurde 1976 als deutsche Dependance der in den USA seit den 1950er Jahren bestehenden La Leche League International gegründet.
Sie war die erste Organisation, die systematisch Fakten und Studien zum Stillen gesammelt und sich für eine intensive Fortbildung von Fachpersonal eingesetzt hat. Die meisten der allerersten Stillberater:innen im deutschsprachigen Raum wurden von der LLL ausgebildet.
La Leche Liga ist im deutschsprachigen Raum jeweils als gemeinnütziger Verein organisiert. Erfahrene und speziell von der LLL dazu ausgebildete Mütter begleiten in Gruppentreffen und telefonischen/ schrifltichen Beratungen andere Mütter in ganz alltäglichen Fragen zum Stillen und zum Leben mit dem Baby.
LLL-Berater:innen haben einen eingeschränkten Kompetenzbereich. Bei Fragen, die einen medizinischen Aspekt streifen, müssen andere Fachpersonen (z.B. eine IBCLC oder eine Hebamme) konsultiert oder an den behandelnden Arzt verwiesen werden.
Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen e. V. (AFS)
Die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS) wurde 1986 aus einer lockeren Verbindung aus Stillgruppen als Tochterorganisation der LLL gegründet. Grund für die heutige Abtrennung war der Wunsch, stärker politisch tätig zu werden und die Interessen Stillender auch auf politisch wirksamer Ebene zu vertreten.
Die AFS ist im deutschsprachigen Raum jeweils als gemeinnütziger Verein organisiert und bietet Hilfe zur Selbsthilfe mit ehrenamtlicher Mutter-zu-Mutter-Beratung – am Telefon, im häuslichen Umfeld, bei offenen Stilltreffen sowie in ganz besonders dringenden Fällen über ihre bundesweit erreichbare, täglich besetzte Hotline. Alle AFS-Stillberaterinnen sind Mütter mit eigener Stillerfahrung und haben ein qualifiziertes Aus- und Weiterbildungsprogramm durchlaufen, dass die AFS für ihre Mitglieder entwickelt hat.
In den letzten Jahren entstanden weitere Ausbildungsinstitute und Lehrgänge, die vor allem zum Ziel hatten, allen Personen, welche mit Säuglingen und Müttern in Kontakt stehen, korrekte Basisinformationen zur Säuglingsernährung und zum Stillen zu vermitteln. Dieses Wissen sollten die so ausgebildeten Berater:innen im Rahmen ihrer bisherigen Tätigkeit (z.B. als Doula, Trageberater:in, Spielgruppenleitung o.ä.) anwenden, so dass junge Familien von allen Seiten einheitliche Empfehlungen erhalten. Erst später begannen Berater:innen aus diesem Bereich, sich explizit als Stillberater:innen selbstständig zu machen.
Der Kompetenzbereich einer Berater:in mit einer solchen Basisausbildung ist sehr eng. Sämtliche Situationen, in denen medizinische Aspekte eine Rolle spielen, überschreiten diesen Kompetenzbereich (z.B. starker Abfall der Gewichtskurve, Wundversorgung, Erkrankungen und Pathologien von Mutter und/oder Kind, …). Es steht zu hoffen, dass die Berater:innen aus diesem Bereich sich dieser Limitierung bewusst sind und ihre Kompetenzen und Grenzen gut einschätzen können. Eine falsche Beratung kann nicht nur die Stillbeziehung stören und verkürzen, sondern auch Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind haben und im Ernstfall für die Beratenden selbst rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Ausbildungen für Personen mit medizinischem Grundberuf
Im Bereich der professionellen Stillberatung existieren mittlerweile mehrere Bezeichnungen/ Zertifikate, was den Überblick erschwert. Einige etablierte Ausbildungen mit Qualitätsanspruch und -management (z.B. durch eine Rezertifizierungs- bzw. Fortbildungspflicht) gibt es schon seit Jahrzehnten, andere Lehrgänge existieren erst seit kurzer Zeit.
Insbesondere der Qualitätsstandard der Still- und Laktationsberater:in IBCLC hat lange Zeit für Klarheit gesorgt und bleibt bis heute der einzige international gültige und anerkannte Titel im Bereich der Stillförderung.
Mittlerweile vergeben einige deutschsprachige Ausbildungseinrichtungen eigene Zertifikate und Titel (manchmal zusätzlich zur Option, das IBCLC-Examen anzustreben, manchmal erfüllt der Lehrgang jedoch auch nicht die notwendigen Voraussetzungen für eine Teilnahme am IBCLC-Examen).
Still- und Laktationsberater:in IBCLC
Nicht zuletzt durch die Initiative der La Leche Liga wurde die Qualifikation der IBCLC (International Board-Certified Lactation Consultant) in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts etabliert.
Die Akkreditierung "Still- und Laktationsberater:in IBCLC" ist die einzige international anerkannte professionelle Qualifikation für die Stillberatung und wird nach einer weltweit standardisierten Prüfung vergeben. Der Begriff "IBCLC" ist ein geschützter Titel, der nur mit gültigem Zertifikat getragen darf. Er bildet den höchst möglichen Abschluss, der in diesem Gebiet erreicht werden kann.
IBCLCs müssen sich alle 5 Jahre durch Nachweis von umfangreichen Fortbildungen rezertifizieren und verlieren andernfalls ihren Titel.
Um am IBCLC-Examen teilnehmen zu können, sind eine Reihe von Voraussetzungen zu erfüllen, unter anderem wird eine laktationsspezifische Ausbildung benötigt. Diese Lehrgänge werden unabhängig von der zertifizierenden Kommission, z.B. von uns, dem EISL, angeboten und organisiert.
Da es keine direkte Ausbildung zur Still- und Laktationsberater:in IBCLC gibt, ist es nicht zulässig, sich während der Vorbereitungszeit auf das IBCLC-Examen als "IBCLC in Ausbildung" o.ä. anzupreisen.
Erst seit kurzem besteht die Möglichkeit, den Titel "IBCLC im Ruhestand" einmalig für 5 Jahre zu erhalten, wenn man am Ende seiner IBCLC-Karriere noch für eine gewisse Zeit im Bereich der Stillförderung tätig sein will, aber nicht mehr aktiv rezertifiziert.
Wenn Sie sich ein genaueres Bild über den Aufgabenbereich und den Beruf der IBCLC machen möchten, können Sie auf unserer entsprechenden Fachseite mehr dazu erfahren:
ZULASSUNGSVORRAUSSETZUNGEN
Alle Anwärter:innen für das IBCLC-Examen müssen bereits vor dem Examen praktische Erfahrung in der Stillberatung nachweisen und benötigen einen medizinischen Grundberuf. Ergänzend ist der Besuch eines Lehrgangs mit laktationsspezifischen Inhalten im Gesamtumfang von mindestens 90 Stunden + 5 Stunden Kommunikationsschulung erforderlich.
Es hat sich allerdings für die berufliche Praxis bewährt, wesentlich mehr Wissen und praktische Übungen an die Examens-Kandidat:innen zu vermitteln. Die vom EISL in Deutschland und Österreich angebotenen Vorbereitungskurse für das Examen (Seminarreihen INTENSIV) haben daher einen Umfang von mind. 230 Stunden. Für Ärzt:innen werden spezielle Seminare (Seminarreihen KOMPAKT) mit einem Gesamtstundenumfang von 95 Stunden angeboten.
Weitere Informationen zu den Zugangsvoraussetzungen und dem IBCLC-Examen finden Sie auf unserer entsprechenden Fachseite zu diesem Thema:
REZERTIFIZIERUNG
Um den Status "Still- und Laktationsberater:in IBCLC" zu erhalten, ist es erforderlich, alle 5 Jahre mit Hilfe des Nachweises von mindestens 75 Fortbildungspunkten ("CERPs") und einiger weiterer Anforderungen den Titel zu rezertifizieren.
Alternativ zum Rezertifizieren mit CERPs kann erneut das IBCLC-Examen abgelegt werden.
Weitere Informationen zum konkreten Ablauf der Rezertifizierung und zur Berechnung der benötigten CERPs erhalten Sie auf unserer entsprechenden Fachseite zu diesem Thema:
Still- und Laktationsexpert:in EISL
Der Titel "Still- und Laktationsexpert:in EISL" wird seit 2023 vom Europäischen Institut für Stillen und Laktation (EISL) vergeben.
Voraussetzung für den Erhalt des Zertifikats ist die vollständige Absolvierung einer Seminarreihe INTENSIV mit allen Inhalten. Der Gesamt-Umfang der Weiterbildung beträgt mindestens 230 Stunden und berechtigt auch zur Berufung als Stillbeauftragte in Kliniken (in Deutschland).
Dieser Titel kann auch von Seminarteilnehmer:innen aus nicht-medizinischen Berufsgruppen erworben werden, die die Bedingungen für die Absolvierung des IBCLC-Examens nicht erfüllen. Voraussetzung für diese Personengruppen für die Teilnahme am Lehrgang ist eine zuvor mindestens 2-jährige Erfahrung in der Begleitung von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern (z.B. als Doula, Eltern-Kind-Kursleitung, Trageberaterin etc.)
Der Titel "Still- und Laktationsexpert:in EISL" gilt für 5 Jahre und ist rezertifizierungsfähig. Um nach 5 Jahren den Titel erneut für weitere 5 Jahre zu erhalten, ist der Nachweis über kontinuierliche Fortbildung notwendig.
Wenn Sie mehr über die Zugangsvoraussetzungen und Fortbildungspflichten für diesen Titel erfahren möchten, können Sie dies auf unserer entsprechenden Fachseite tun: