Stillen senkt auch kurzfristig Risiko für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen mit Schwangerschaftskomplikationen
Anlage zum Newsletter Februar 2020
Postpartum Breastfeeding and Cardiovascular Risk Assessment in Women Following Pregnancy Complications
Julie Yu, Jessica Pudwell, Natalie Dayan, Graeme N. Smith. Journal of Women's Health, ahead of print, Dec 2019. DOI: https://doi.org/10.1089/jwh.2019.7894
Information: Dieser Artikel enthält einige medizinische Fachbegriffe, die mit einem * markiert und ganz unten in einem Glossar erläutert sind
Eine Schwangerschaft stellt für den Körper der Mutter eine kardiovaskuläre Herausforderung, gewissermaßen einen Stresstest für das gesamte Herz-Kreislauf-System dar. Man weiß bereits, dass Frauen, die bestimmte Schwangerschaftskomplikationen aufweisen (wie zum Beispiel hypertensive Erkrankungen*, Gestationsdiabetes, Wachstumsrestriktion* des Ungeborenen), im weiteren Leben gehäuft an kardiovaskulären Erkrankungen leiden.
Außerdem konnte bereits gezeigt werden, dass das Stillen langfristig einen positiven Einfluss auf kardiovaskuläre Risikofaktoren* für die Mutter hat. Ob es aber auch schon kurzfristig auf das mütterliche Herz-Kreislauf-System wirkt, ist aktuell noch nicht bekannt.
Besonders Frauen, die kardiovaskulär-bedingte Schwangerschaftskomplikationen hatten, haben zugleich eine hohe Wahrscheinlichkeit für Probleme beim Stillbeginn sowie für vorzeitiges Abstillen aufgrund von spezifischen biologischen (endotheliale Dysfunktion*, metabolisches Syndrom*, Adipositas), psychosozialen (Depression, Angst) und auch kindlichen Ursachen (Frühgeburtlichkeit, geringes Geburtsgewicht).
Mit diesem Themenkomplex beschäftigte sich kürzlich eine kanadische Studie: Yu und KollegInnen haben Patientinnen mit Schwangerschaftskomplikationen (hypertensive Erkrankungen, Gestationsdiabetes, Wachstumsrestriktion des Feten, vorzeitige Plazentalösung, Frühgeburtlichkeit) sechs Monate nach Entbindung zur Befragung und Analyse eingeladen. Insgesamt konnten die Daten von 622 Frauen ausgewertet werden. Die kardiovaskulären Risikofaktoren wurden verglichen zwischen Müttern, die nicht stillten (n=100, 16%), Frauen, die weniger als sechs Monate gestillt haben (n=207, 33%) und Patientinnen, die sechs oder mehr Monate gestillt haben.
Es zeigte sich, dass eine längere Stilldauer die Wahrscheinlich des Auftretens eines metabolischen Syndroms signifikant verringert: 15.7% bei Frauen, die mehr als sechs Monate gestillt hatten im Vergleich zu 29.3% bei Müttern, die gar nicht gestillt hatten (Odds Ratio/OR* [95% CI]: 0.89 [0.79–0.99]).
Des Weiteren sanken Body Mass Index (Regressionskoeffizient* [95% CI] -0.10 [-0.18 to -0.02]), Nüchtern Glucose (OR 0.79 [0.64–0.96]) und Triglyzeride mit längerer Stilldauer. Es zeigte sich auch eine insgesamt positive Auswirkung auf den Fettstoffwechsel (Cholesterin zu HDL Quotient) (OR 0.86 [0.78–0.95]).
Diese Ergebnisse zeigen insgesamt, dass bei Müttern mit kardiovaskulär-bedingten Schwangerschaftskomplikationen eine längere Stilldauer bereits kurzfristig die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt. Die Gründe dafür sind aktuell noch nicht ganz klar. Fest steht jedoch, dass besonders Mütter mit Schwangerschaftskomplikationen, eine intensive Begleitung für die Initiation des Stillens brauchen sowie die Ermutigung mehr als sechs Monate zu stillen.
Die Studie (englisch) ist → hier frei zugänglich erhältlich.
Hypertensive Erkrankungen: Krankheiten, die mit einer Erhöhung des arteriellen Blutdrucks einhergehen
Wachstumsrestriktion: bezeichnet den Zustand, dass der Fötus in der Gebärmutter aus verschiedenen Gründen nicht sein genetisch bestimmtes Gewicht erreichen kann
Kardiovaskuläre Risikofaktoren: sind bestimmte Zustände, die das Risiko erhöhen an Herzinfarkt, Schlaganfall und pAVK zu erkranken. Dazu gehören: arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Störung des Lipidstoffwechsels, Rauchen, Bewegungsmangel
Endotheliale Dysfunktion: Veränderung im Bereich der Gefäße, die vor allem im Bereich der Plazenta zu Schwangerschaftskompikationen führen können (Präeklampsie, HELLP, Plazentalösung, Wachstumsrestriktion)
Metabolisches Syndrom: gilt als entscheidender Risikofaktor für die Entstehung von Erkrankungen der arteriellen Gefäße. Dazu gehört abdominelle Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Insulinresistenz bzw. gestörte Glukosetoleranz
Odds Ratio (OR): relatives Risiko einer Probandengruppe gegenüber einer anderen Gruppe (z.B. bedeutet eine OR von 0.5, dass das Risiko halbiert ist)
Regressionskoeffizient: bewertet den Einfluss einer Variablen auf einen Zustand
© Februar 2020, Dr. med. Josefine Theresia Königbauer (Fachärztin für Frauenheilkunde und IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation