Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Stillen senkt Mortalität auch noch im mittleren und späten Erwachsenenalter

Anlage zum EISL-Newsletter April 2023

Breastfeeding in infancy and mortality in middle and late adulthood: A prospective cohort study and meta-analysis
Wang, X, Yan, M, Zhang, Y, Wang, W, Zhang, W, Luo, J, et al. J Intern Med. 2023; 293: 624– 635. DOI: https://doi.org/10.1111/joim.13619

Das wichtigste in Kürze:

  • Stillen im Säuglingsalter ist mit einem geringeren Sterberisiko im mittleren und späten Erwachsenenalter verbunden.
  • Dies gilt für die Gesamtmortalität, für die Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Erkrankungen und für die Mortalität aufgrund von Erkrankungen der Atemwege.
  • Der Effekt schwächt sich mit zunehmendem Alter ab: die Risikosenkung ist für das mittlere Erwachsenenalter noch höher als für das spätere Alter.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass Stillen vor einer ganzen Reihe von Erkrankungen sowie einer erhöhten Sterblichkeit im Säuglings- und Kleinkindalter schützt. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen im Erwachsenenalter sind hingegen schwerer zu erforschen. Aufgrund der enormen Bedeutung wäre es schlicht unethisch, eine Population gezielt in eine gestillte und nicht-gestillte Gruppe zu unterteilen, um dann zu untersuchen, welche Krankheiten bzw. Sterberaten es in der jeweiligen Gruppe gibt.

Ein chinesisches Forscherteam verwendete daher für eine aktuell veröffentlichte Studie die Daten von rund einer halben Million Menschen aus der „UK Biobank“. Die Teilnehmenden aus England, Schottland und Wales wurden zunächst per Fragebogen und Interview befragt, durchliefen eine ärztliche Untersuchung und es wurden diverse Proben abgenommen. In die Studie wurden schließlich 383.627 Menschen ab 40 Jahren eingeschlossen, die eine Angabe zum Stillen in ihrer Säuglingszeit machen konnten. Von den 383.627 Befragten gaben wiederum 277.539 an, dass sie als Säugling gestillt worden waren, der Rest wurde nicht gestillt. Zwar gibt es in der Studie keine Angaben dazu, ob ausschließlich oder teil-gestillt wurde bzw. wie lange gestillt wurde und die Studienautoren räumen dies auch als Einschränkung ein, doch dies macht die Ergebnisse umso bemerkenswerter, denn es zeigt, dass jegliches Stillen bereits zu einem geringeren Erkrankungsrisiko bzw. Sterblichkeit führt.

Um alle verfügbaren Erkenntnisse zusammenzufassen, wurde zusätzlich zur Studie eine Meta-Analyse durchgeführt, bei der drei weitere Studien in die Evaluierung der Daten mit aufgenommen werden konnten.

Stillen und Sterblichkeit im Erwachsenenalter
Es zeigte sich, dass die Gesamtsterblichkeit der gestillten Population um 5% niedriger war als in der nicht gestillten. Das mag auf den ersten Blick nicht viel erscheinen, doch wenn man sich die weltweite Geburtenrate von etwa 140 Millionen Babys pro Jahr vor Augen hält, so werden davon geschätzte 7,6 Millionen niemals gestillt. Die daraus resultierenden Erkrankungen und erhöhte Gesamtsterblichkeit sind vermeidbar.
Die schützende Wirkung des Stillens gegen die Gesamtsterblichkeit war in jüngeren Jahren stärker ausgeprägt als im fortgeschrittenen Erwachsenenalter. Das abnehmende Ausmaß mit fortschreitendem Alter ist laut Studienautoren biologisch plausibel, denn die frühe epigenetische Programmierung durch die Muttermilch wird mit dem im Alter auftretenden Störungen der epigenetischen Regulation entgegengewirkt. Ähnliche altersabgeschwächte Vorteile des Stillens wurden auch für andere Ergebnisse berichtet, darunter die Säuglings- und Kindersterblichkeit, die neurokognitiven Funktionen von Jugendlichen und chronische Krankheiten wie Adipositas und Typ-2-Diabetes. Diese Ergebnisse deuten auf einen geringeren, aber lebenslangen Nutzen des Stillens hin.

Die Studie ergab weiters, dass die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Erwachsenen, die als Baby gestillt wurden, geringer war als bei denen, die nicht gestillt wurden. Dieses Ergebnis war zu erwarten, da frühere Studien bereits darauf hinwiesen, dass Stillen mit einem geringeren Risiko für präklinische Atherosklerose sowohl in der Kindheit als auch im Erwachsenenalter verbunden ist. Noch wichtiger ist, dass dieses Ergebnis darauf hindeutet, dass das Stillen ein potenzielles Ziel für eine frühzeitige Intervention sein könnte, um Herz-Kreislauf-Erkrankungen im späteren Leben zu reduzieren, die heute weltweit die größte Krankheitslast darstellen.

Auch das Risiko an einer Atemwegserkrankung zu versterben, war in der gestillten Gruppe niedriger.
Hingegen wurde trotz einer hohen statistischen Aussagekraft dieser Meta-Analyse keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Stillen im Säuglingsalter und der krebsspezifischen Sterblichkeit im Erwachsenenalter gefunden. Hier bedarf es noch weiterer Studien, um eine eindeutige Schlussfolgerung zu ziehen.

© April 2023, Natalie Groiss, IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Anja Bier, IBCLC; Rhiannon Grill, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC; Gudrun von der Ohe, IBCLC

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