Zufuhr von künstlichem Oxytocin unter der Geburt hat Auswirkungen auf das Stillen
Anlage zum Newsletter April 2018
Intrapartum Administration of Synthetic Oxytocin and Downstream Effects on Breastfeeding: Elucidating Physiologic Pathways
Cadwell K and Brimdyr K. , Ann Nurs Res Pract. 2017; 2(3): 1024. ISSN: 2572-9403
Ereignisse unter der Geburt können den Stillbeginn beeinflussen. Schon länger ist beispielsweise bekannt, dass der intrapartale Einsatz bestimmter Schmerzmittel zu einem verringerten Such- und Saugverhalten beim Neugeborenen führen kann.
Ein aktueller Review-Artikel beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Gabe von synthetischem Oxytocin unter der Geburt und versucht sich an einer Erklärung über die verschiedenen Wirkweisen des Oxytocins. Der Artikel identifiziert dabei mehrere potentielle Risiken:
Durch die intrapartale Oxytocin-Zufuhr kann das mütterliche Oxytocin-System gestört werden: die Autoren stellen Überlegungen zu veränderten oder beschädigten Oxytocin-Rezeptoren im mütterlichen Körper sowie Vermutungen zu einer nachfolgenden Über- oder Unterproduktion körpereigenen Oxytocins an. Es gibt beispielsweise Hinweise darauf, dass Frauen, die unter der Geburt hohe Dosen an synthetischem Oxytocin erhielten, an Tag 2 Schwierigkeiten mit der Produktion von körpereigenem Oxytocin haben, so dass der Milchspendereflex behindert sein kann. Außerdem haben mehrere Studien gezeigt, dass Frauen, die unter der Geburt hohe Dosen an synthetischem Oxytocin erhielten, ein erhöhtes Risiko für postpartale Depressionen und Angststörungen im gesamten ersten Lebensjahr des Kindes haben.
Durch die Gabe von synthetischem Oxytocin kann es zu einer Überstimulation des Uterus kommen: normalerweise wird körpereigenes Oxytocin pulsatil, also mit hohen Spitzen und dazwischen liegenden Pausen, ausgeschüttet. Dies ermöglicht sowohl den Rezeptoren als auch der Muskulatur des Uterus eine Aktivität im Wechsel mit Pausen. Wenn diese Pausen durch eine kontinuierliche Zufuhr von synthetischem Oxytocin nicht mehr stattfinden, kann es zu einer Phase des "Wehensturms" mit Überlastung der Muskulatur und anschließenden Ermüdungserscheinungen/ daraus folgender Wehenschwäche kommen. Gleichzeitig wird während der heftigen Phase des Wehensturms die Blutzufuhr zum Fötus stärker und häufiger als normal reduziert, was zu Sauerstoffmangelerscheinungen beim Kind führen kann. Die überanstrengte Uterusmuskulatur übersäuert zudem, was sich in Form von veränderten PH-Werten des mütterlichen und des kindlichen Blutkreislaufs messen lässt und beim Neugeborenen zu schlechteren APGAR-Werten führen kann.
Nicht zuletzt geht ein Teil des synthetischen Oxytocins unter der Geburt auch in den Blutkreislauf des Fötus über. Dies wirkt sich negativ auf die natürlichen Reflexe des Neugeborenen aus, die in den ersten Stunden nach der Geburt im Zusammenspiel mit direktem Hautkontakt dafür sorgen sollen, dass das Kind eigenständig zur Brust findet. Die 9 Stadien nach Widström werden auf diese Weise nicht wie vorgesehen durchlaufen, Babys verbringen weniger Ruhezeiten auf der Brust der Mutter, finden die Brust schlechter, saugen ineffektiver und zeigen weniger klare Hungerzeichen.
Alle genannten Faktoren können den Stillstart erschweren und somit eine erfolgreiche Stillbeziehung gefährden.
Die Autorinnen argumentieren, dass eine routinemäßige, heute sehr verbreitete Gabe von Oxytocin unter der Geburt (häufig aus Effizienzgründen/ um die Geburt zu beschleunigen) kritisch zu hinterfragen ist und nur bei strenger medizinischer Indikation zur Anwendung kommen sollte.
Der Original-Artikel steht vollständig → hier zur Verfügung.
© April 2018, Anja Bier (IBCLC) für den Newsletter des Europäischen Instituts für Stillen und Laktation