Europäisches Institut für Stillen und Laktation

Viruserkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit

Unsere Fachinformationen werden regelmäßig überprüft und ergänzt.
Letzte Aktualisierung dieser Seite: 07/2024

Autorin: Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC, Hamburg

Virusinfektionen

Die meisten Viruserkrankungen werden nicht durch die Muttermilch auf das Kind übertragen, sondern durch Einatmen oder durch Haut- bzw. Schleimhautkontakt. Infektionen von der Mutter zum Kind sind meist vertikale Übertragungen und können in der Schwangerschaft, bei der Geburt oder während der Stillzeit auftreten. Da Viren intrazellulär leben und Muttermilch Zellen enthält, gibt es auch Übertragungen durch die Muttermilch, mit unterschiedlichem Risiko für das Kind.

Berücksichtigt werden muss dabei, ob sich die Mutter vor, während oder nach der Schwangerschaft infiziert hat. Erkrankt die Mutter, werden die von der erkrankten Mutter gegen den aktuellen Infekt gebildeten unspezifischen und spezifischen Antikörper zeitgleich über die Muttermilch an das Kind weitergegeben. Somit ist das Kind in vielen Fällen vor diesen Erkrankungen geschützt (besonders ausgeprägt z.B. bei viraler Darminfektion durch Rota-Viren). Unterbricht man in diesem Fall das Stillen, erkrankt das Kind unter Umständen eher. Hinzu kommen noch die allgemeinen Risiken der Formulanahrung, wenn nicht gestillt wird.
Bei den meisten banalen Virusinfektionen des Alltags kann und soll das Kind daher uneingeschränkt weitergestillt werden.

Viren werden sicher durch Pasteurisieren der Muttermilch abgetötet, nicht aber durch Einfrieren. Durch Einfrieren wird lediglich die Virenanzahl verringert, die Infektiosität kann jedoch nach dem Auftauen durch veränderte immunologische Eigenschaften der Muttermilch ansteigen. Pasteurisieren (nach Holder: 62,5°C für 30 Minuten oder mit der HTST-Methode: 72°C für 15 Sekunden) verändert andererseits die biologischen Eigenschaften der Muttermilch, ist aber dennoch eine bessere Alternative als Formulanahrung, wenn Muttermilch als Übertragungsweg eine bedeutende Rolle spielt.

Im Folgenden informieren wir Sie über einige spezielle Virusinfektionen, deren Übertragung durch Muttermilch bekannt ist oder die häufig Fragen bei Ärztinnen und Ärzten und medizinischem Fachpersonal aufwerfen, wenn sie stillende Mütter mit diesen Erkrankungen betreuen.

SARS-CoV2/ COVID-19 (Coronavirus)

Seit Anfang 2020 hält COVID-19 die Welt in Atem. Wir haben schon früh zwei Artikel zusammengestellt, die für Fachpersonal und Eltern alle wichtigen Fragen beantworten sollen, die rund um Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus auftreten. Beide Artikel werden regelmäßig aktualisiert.
Dabei stützen wir uns auf die Empfehlungen international anerkannter Institutionen und auf die Empfehlungen der deutschsprachigen Fachgesellschaften.

Humanes Immundefizienz Virus (HIV)

Eine HIV-Infektion kann heute mittels spezieller Medikamente über lange Zeit erfolgreich "in Schach" gehalten werden. Dadurch kann die Erkrankung AIDS, die aus der Infektion folgt, unter Kontrolle gehalten werden und ein weitgehend beschwerdefreies Leben ermöglicht werden.

Das HI-Virus kann von einer infizierten Mutter in der Schwangerschaft, unter der Geburt und im Prinzip auch über die Muttermilch auf das Kind übertragen werden. Auch eine Übertragung durch Risse an der Mamille (Blut) unter dem Stillen ist denkbar.
Allerdings gilt zunehmend das Stillen unter bestimmten Umständen auch in westlichen Welt als vertretbar – in Ländern der dritten Welt sowieso, da dort oft die Trinkwasserversorgung und künstliche Säuglingsnahrung nicht ausreichend sichergestellt werden können. In industrialisierten Ländern ist das Stillen möglich, wenn die Mutter dauerhaft medikamentiert ist und keine Viruslast mehr nachweisbar ist. In diesem Fall kann gemeinsam mit den betreuenden Ärztinnen und Ärzten eine informierte Entscheidung getroffen werden.

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Ein ausführlicher Artikel, indem auch auf die neuen Untersuchungen bezüglich HIV und Muttermilch eingegangen wird, steht Ihnen zum Download zur Verfügung. Interessant ist z.B. die Entdeckung von Antikörpern gegen HIV im Kolostrum. Im Artikel enthalten sind auch Verlinkungen auf aktuelle Empfehlungen der deutschsprachigen Fachgesellschaften sowie neuerer Studien zum Thema Stillen und HIV/ AIDS.

Herpes-Viren

Es gibt eine große Familie an Herpes-Viren, über 200 verschiedene sind bekannt, neun von ihnen sind für den Menschen spezifisch. Zu diesen humanen Herpesviren (HHV) gehören neben den Herpes simplex-Viren des Typ 1 und 2 das Varizella-Zoster-Virus, das Epstein-Barr-Virus, das Zytomegalievirus, das Humane Herpesvirus 6A, 6B und 7 sowie das Kaposi Sarkom-assoziierte Herpesvirus. Zu den durch Herpesviren ausgelösten Krankheiten zählen neben Lippen- oder Genitalherpes auch Windpocken, Gürtelrose, das Pfeiffersche Drüsenfieber und verschiedene Krebserkrankungen.
Bisher gibt es gegen die oben genannten Viren nur die Impfung gegen das Varizella-Zoster-Virus.

Herpesviren begleiten den Menschen seit Millionen von Jahren und haben sich dem Menschen sehr gut angepasst. Ist man einmal infiziert, verbleibt das Herpesvirus ein Leben lang im Körper. So kommt es, dass jeder erwachsene Mensch eines oder mehrere der neun Herpesviren in sich trägt. Nach der Erstinfektion, die symptomatisch häufig unbemerkt bleibt, begeben sich die Herpesviren in den sogenannten Zustand der Latenz. In dieser Phase werden keine neuen Viruspartikel produziert, und das Virus wird nur schlecht oder gar nicht vom Immunsystem erkannt. Erst bei Reaktivierung, die beispielsweise durch ein geschwächtes Immunsystem hervorgerufen werden kann, vermehrt sich das Virus im Körper und Krankheitssymptome können auftreten. Die Reaktivierung kann jedoch auch ohne auffällige Symptome für den Betroffenen ablaufen, bei denen sich aber dennoch das Herpesvirus vermehrt und ausgeschieden wird, sodass es zur Übertragung auf andere Menschen kommen kann (Helmholz-Institut, Institut für Infektionsforschung, HIZ).

Derzeit stehen Ihnen folgende Themen ausführlich zur Verfügung:
• Herpes simplex-Virus
• Zytomegalievirus (CMV)

HERPES SIMPLEX-VIRUS

Das bekannteste Herpesvirus ist das Herpes simplex-Virus (HSV). Diesem Virus gehören zwei Typen an: Das Herpes simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) und Typ 2 (HSV-2). Laut Schätzungen der Weltgesund-heitsorganisation WHO sind zwei Drittel der Weltbevölkerung mit HSV-1 infiziert.
• HSV-1 ist hauptsächlich für den bläschenartigen Ausschlag im Lippenbereich verantwortlich und wird vorwiegend über Speichel übertragen.
• HSV-2 hingegen ist die häufigste Ursache von Genitalherpes und wird vorwiegend auf sexuellem Wege übertragen.
Grundsätzlich können sowohl HSV-1 als auch HSV-2 Lippenherpes und Genitalherpes hervorrufen. In seltenen Fällen kann HSV-1 eine lebensbedrohliche Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) auslösen, deshalb ist es gerade für Früh- und Neugeborene sehr gefährlich.

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Ein ausführlicher Artikel zum Thema Herpes und Stillen steht Ihnen zum Download zur Verfügung. Darin enthalten finden Sie detaillierte Angaben zu Infektionswegen und Konsequenzen für das Früh- und Neugeborene, außerdem Literaturangaben. Somit eignet sich der Artikel auch gut zur Weitergabe an Interessierte in Ihrem Umfeld.

ZYTOMEGALIE VIRUS (CMV)

Eines der global am weitesten verbreiteten Herpesviren ist das Zytomegalievirus (CMV). Die Mehrheit der Erwachsenen (ca. 70%) trägt es in sich. In Deutschland liegt die Seroprävalenz bei Schwangeren bei ca. 47% (RKI). Die CMV-Erstinfektion verläuft in der Regel harmlos und ohne Symptome. Nach einer Infektion kann es sich lebenslang im Körper verstecken, in der Regel macht es sich nicht bemerkbar.
Stark gefährdet sind Kinder, die im Mutterleib mit CMV infiziert werden oder auch kleinste Frühgeborene.

Seit 2018 existiert ein Österreichisches Konsensuspapier, das als Richtlinie für den gesamten deutschsprachigen Raum dienen kann und die dringend notwendige Versorgung aller Frühgeborenen mit Muttermilch sicherstellt.
In unserem Oktober-Newsletter 2018 berichteten wir ausführlich über diese Leitlinie:

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Ein ausführlicher Artikel zum Thema CMV und Stillen steht Ihnen zum Download zur Verfügung. Darin enthalten finden Sie detaillierte Angaben zu Infektionswegen und Konsequenzen für das Neugeborene, außerdem Literaturangaben und Hinweise auf das Österreichische Konsensupapier. Somit eignet sich der Artikel auch gut zur Weitergabe an interessierte Kolleginnen und Kollegen.

VARIZELLA-ZOSTER-VIRUS

Das Varizella-Zoster-Virus (VZV) ist für zwei Erkrankungen verantwortlich:
• Windpocken (Varizellen) und
• Gürtelrose (Herpes Zoster).
Beim Erstkontakt kommt es zu den Windpocken: Nach Abklingen der Windpocken verbleibt das VZV ein Leben lang latent in den Nervenzellen und kann zu einem späteren Zeitpunkt reaktivieren und eine Gürtelrose auslösen.
In Deutschland empfiehlt die STIKO deshalb eine Varizellen-Impfung für Kleinkinder. Der Herpes-Zoster-Totimpfstoff ist von der STIKO seit Dezember 2018 als Standardimpfung für alle Personen ≥ 60 Jahren empfohlen.

EPSTEIN-BARR-VIRUS (EBV)

Das Epstein-Barr-Virus ist eines der am weitesten verbreiteten Viren der Welt. Es ist der Auslöser des Pfeifferschen Drüsenfiebers, auch bekannt als infektiöse Mononukleose. Erfolgt die Infektion mit EBV in der frühen Kindheit, so verläuft sie meist ohne oder mit nur milden Symptomen. Tritt die Erstinfektion mit EBV hingegen erst im Jugend- oder Erwachsenenalter ein, so sind die Symptome meist deutlich stärker ausgeprägt. Es steht auch im Zusammenhang mit Krebserkrankungen, zum Beispiel das Nasopharynxkarzinom oder Lymph-Tumore wie das Burkitt oder das Hodgkin-Lymphom.

Hepatitiden

Es gibt verschiedene Arten von Hepatitis, die durch unterschiedliche Viren ausgelöst werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass unter allen "klassischen" Hepatitis-Erkrankungen das Kind gestillt werden kann; lediglich die noch relativ neu entdeckte Hepatitis G ist bislang zu wenig untersucht, als dass dazu verlässliche Daten vorliegen würden. In den meisten Fällen erfolgt eine vertikale Übertragung von der Mutter auf das Kind bereits im Mutterleib oder unter der Geburt, außerdem tauchen nicht alle Hepatitis-Viren überhaupt in der Muttermilch auf. Das Risiko für eine Ansteckung prä- oder perinatal steigt häufig mit einer erhöhten Viruslast bei der Mutter.

Die Ansteckung mit Hepatitis A erfolgt schon in der Inkubationszeit, das Kind kann dagegen aber immunisiert werden. Gegen Hepatitis B sollten Kinder spätestens 12 Stunden nach Geburt immunisiert werden, wenn die Mutter Hepatitis-B-positiv ist oder der Status nicht bekannt ist - dies ist unabhängig von der Frage, ob die Mutter stillt und kann auch noch nach dem Bonding und dem ersten Anlegen durchgeführt werden.

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Ein ausführlicher Artikel mit genauen Angaben zu den einzelnen Hepatitis-Formen, den Übertragungswegen und möglichen Präventions-Maßnahmen steht Ihnen zum Download zur Verfügung und kann auch an interessierte Kolleg:innen weitergegeben werden.

Humanes T-lymphotropes Virus (HTLV)

HTL-Viren gehören (wie HIV) zu den Retroviren. Sie wurden bereits kurz vor HIV entdeckt, gerieten jedoch für einige Zeit in Vergessenheit, weil die Gefahr durch HIV in den 1980er-Jahren relevanter erschien. In jüngster Zeit sind sie wieder verstärkt Gegenstand der Forschung.

HTL-Viren werden vor allem durch Sexualkontakte übertragen, seltener auch durch Bluttransfusionen, Organspenden oder durch verunreinigte Spritzen bei Drogenkonsumenten. Wenn Schwangere das Virus in sich tragen, ist das Risiko, es durch Stillen auf ihr Kind zu übertragen, mit 20 - 24 % aller Infektionen sehr hoch.

Es gibt 4 bekannte HTLV-Untertypen, vor allem die beiden Typen 1 und 2 sind bisher erforscht. Die Infektion mit HTLV1 ist in vielen Regionen der Welt endemisch vorhanden, normalerweise verläuft sie weitgehend symptomlos. In 4 – 5 % der Fälle kann es allerdings in Folge zur Erkrankung an der hoch-aggressiven Adulten T-Zell-Leukämie (ATL) kommen, bei der das Überleben im Durchschnitt nur 8 - 10 Monate beträgt. Außerdem kann das Virus schwere Erkrankungen wie Myelopathie, Polymyositis, Uveitis oder chronische Lungenerkrankungen hervorrufen.

Bisher gibt es keine Therapie gegen HTLV. Infizierte müssen wissen, dass das Virus sexuell übertragbar ist und dass auch ihre Partner auf eine Infektion getestet werden sollten. Viruspositive Menschen sollten informiert werden, dass sie lebenslang klinisch und labordiagnostisch überwacht werden müssen.

HTLV-1-positive Mütter sollten ihre Kinder nicht stillen, zumindest wenn ausreichend sichere künstliche Babynahrung zur Verfügung steht.

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Ein ausführlicher Artikel, der die bisherigen Erkenntnisse zu HTLV zusammenfasst und für das Gespräch mit Kolleg:innen heruntergeladen werden kann, steht Ihnen zur Verfügung.

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