Bausteine für einen guten Stillbeginn
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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 3/2021
Stillen in den ersten Tagen
Der Stillbeginn ist ein zentrales Element für viele Mütter und junge Familien. Sowohl das Gelingen der Stillbeziehung als eigenständiger Wert als auch die längerfristigen Auswirkungen auf Bindung und Beziehung zwischen Mutter und Kind sind damit verknüpft. Wenn der Stillbeginn gelingt, erleben sich Mütter von Beginn an als kompetent und können leichter auf die Bedürfnisse ihres Babys eingehen.
Für Fachpersonen, die junge Familien in diesen ersten Stunden und Tagen begleiten, bedeutet das eine große Verantwortung: Unsere Aufgabe besteht darin, die Mutter zu stärken durch gute, korrekte Informationen, einfühlsame Kommunikation und ein breites Wissen zum Stillen. Zusätzlich ist es ein Auftrag für alle, die mit Mutter und Kind arbeiten, intensiven Haut- und Körperkontakt zu fördern und das stetige Zusammensein zu ermöglichen.
Eine gute Stillbegleitung in dieser Zeit stützt sich auf eine Reihe von "Bausteinen", die für alle Mutter-Kind-Paare hilfreich sind und die wir auf dieser Fachseite in der Übersicht vorstellen wollen.
Bausteine für einen guten Stillbeginn
Idee: Christa Herzog, IBCLC, ergänzt von Gabriele Nindl, IBCLC
Hautkontakt, Bonding und Self-Attachment
Hautkontakt unmittelbar nach der Geburt löst im Körper von Mutter und Kind viele bedeutende Vorgänge aus und ist ein wesentlicher Teil des Bondings. Das Hormon Oxytocin unterstützt die Mutter dabei, sich regelrecht in ihren Säugling zu "verlieben". Im Hautkontakt wird die Ausschüttung von Oxytocin gefördert, die Stoffwechseladaption des Kindes (Atmung, Temperatur, Blutzucker etc.) gelingt schneller und stabiler und wichtige Reflexe für Stillen und Saugen werden stimuliert.
In Studien (exemplarisch: → 1, → 2, → 3) konnte gezeigt werden, dass ununterbrochener postpartaler Hautkontakt, aber auch frühes Berühren und/oder Saugen an Mamille und Areola nicht nur Auswirkungen auf Stillerfolg und Stilldauer haben, sondern auch zu einer erhöhten Interaktion und einer engeren Bindung zwischen Mutter und Kind in den ersten Tagen beitragen.
Zu diesem komplexen Thema haben wir eine eigene Fachseite veröffentlicht:
Häufiges Stillen von Anfang an
Auch wenn jede Neugeborene einzigartig ist und ein individuelles Verhalten an den Tag legt, gibt es doch gewisse Grundmuster, die die meisten termingeborenen, gesunden Säuglinge zeigen. In den ILCA-Leitlinien und den WHO/UNICEF-Schritten sind die folgenden Grundsätze formuliert:
ILCA Management, 2014, Strategy 4 und 6:
„…sicherstellen, dass der Säugling mindestens 8x innerhalb von 24 Stunden gestillt wird.“
„Sicherstellen, dass die Mütter wissen, wie ein schläfriger Säugling geweckt wird.“
UNICEF / WHO „10 Schritte zum erfolgreichen Stillen“, Schritt 8:
„Die Mütter unterstützen, die Stillzeichen ihres Säuglings zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren.“
Häufiges und uneingeschränktes Stillen von Anfang an trägt dazu bei, dass
• das Neugeborene adäquat bei der Stabilisierung seines Blutzuckers unterstützt wird
• seine Bilirubin-Werte nicht zu stark ansteigen
• die Gewichtsabnahme moderat verläuft und keine Zufütterung erforderlich wird
• die Milchbildung bei der Mutter ausreichend angeregt wird
• das Stillen von Mutter und Kind zu einem Zeitpunkt eingeübt wird, an dem die Brust noch weich ist und das Anlegen leichter gelingt als in der Zeit um die Initiale Brustdrüsenschwellung ("Milcheinschuss") herum.
Häufiges Stillen von Anfang an gilt auch für die ersten 24 Stunden unmittelbar nach der Geburt! Es ist nicht hilfreich, Mutter und Kind möglichst lange "zu schonen" oder "erst einmal tüchtig schlafen zu lassen". Ein gutes Stillmanagement in den ersten 24 Stunden kann exemplarisch folgendermaßen aussehen:
In den nachfolgenden Tagen und Wochen sind weiterhin mindestens 8, besser 10 - 12 Stillmahlzeiten in 24 Stunden zu erwarten und sind ungemein wichtig für eine ausreichende Etablierung der Milchbildung sowie eine adäquate Gewichtszunahme.
Häufig kommt es zu ausgeprägten Cluster-Feeding-Phasen, insbesondere in den frühen Abendstunden. Diese sind davon geprägt, dass das Baby in kurzen Abständen zwischen nutritivem und non-nutritivem Saugen hin und her wechselt, und zwischendurch kleine Pausen/ Nickerchen einlegt, um dann wenig später wieder weiter zu trinken.
Mütter benötigen die Gewissheit und Ermutigung, dass dieses Verhalten normal und wünschenswert ist und sich zunächst in den ersten Wochen deutlich verstärkt, bevor es sich nach und nach verändern und abschwächen wird.
Das A des Stillens: Korrektes Anlegen und Intuitives Stillen
Eine gute Stillposition ermöglicht dem Baby, Mamille und Brustgewebe korrekt zu erfassen und effektiv zu saugen. Mutter und Kind benötigen eine bequeme und sichere Position, in der sie auch für längere Zeit verbleiben können. Beim Intuitiven Stillen werden die mütterliche Intuition und die kindlichen Reflexe verstärkt aktiviert, diese Stillposition ist daher für die ersten Tage und Wochen äußerst hilfreich.
Auch klassische Stillpositionen haben ihren Platz, dabei sind die sogenannte "Frühchen-Haltung"/"modifizierte Wiegenhaltung" sowie die Rückenhaltung gut geeignet. Auch das Stillen im Liegen sollte geübt werden, so dass Mutter und Kind beim gemeinsamen Schlafen und nächtlichen Stillen unterstützt werden.
Die häufig verwendete Wiegehaltung hingegen ist eher für fortgeschrittene Mutter-Kind-Paare geeignet und kann den Stillbeginn erschweren (häufiger wunde Mamillen, das Anlegen gelingt schlechter, Mutter und Kind können Stillen als frustrierend und schwierig erleben).
Zum Thema "Anlegen und Positionieren" gibt es eine eigene Fachseite:
Brustmassage, Brustkompression
Es gibt eine Reihe von manuellen Techniken, die das Stillen, insbesondere in den ersten Tagen, unterstützen können. Frauen, die sich bereits in der Schwangerschaft mit ihrer Brust vertraut gemacht haben und grundlegende Techniken kennen, sind für den Stillstart besser gerüstet.
In den ersten Tagen ist eine sanfte Brustmassage vor dem Anlegen oder Handgewinnen von Kolostrum eine unmittelbar verfügbare und hilfreiche Maßnahme, um den Oxytocinspiegel zu steigern und somit den Milchfluss zu erleichtern. Einfache Methoden mit Streicheln, Bewegen des Brustgewebes und leichtem Schütteln sind dabei bereits zielführend.
In der Zeit der Initialen Brustdrüsenschwellung ("Milcheinschuss") ist es durch die gespannte Brust häufig nicht einfach für das Neugeborene, die Mamille und genügend Brustgewebe gut zu erfassen. Hier kann die sogenannte RPS-Methode (Reverse-Pressure-Softening-Methode) nach Jean Cotterman hilfreich sein: die Lymphschwellung wird durch leichten Druck der Fingerspitzen auf der Areola temporär zurückgedrängt, so dass das Erfassen der Brust erleichtert wird.
Wenn der Milchtransfer beim Anlegen noch nicht effektiv gelingt, z.B. weil das Baby rasch einschläft oder nicht ausreichend intensiv saugt, kann durch die einfache Maßnahme der Brustkompression der Milchfluss erhöht, das Baby zum Weitertrinken ermuntert und die Entleerung der Brust unterstützt werden. Die Brustkompression eignet sich auch gut, wenn das Neugeborene trotz ausreichend häufigem Anlegen nicht optimal zunimmt oder wenn die Mutter während des Pumpens die Milchmenge/ den Fettgehalt der Muttermilch steigern möchte.
Alle drei genannten Methoden werden ausführlicher dargestellt und erklärt auf unserer Fachseite
Kolostrum/Muttermilch gewinnen und verabreichen
Nicht in allen Fällen reicht es aus, das Neugeborene häufig anzulegen. Manchmal ist es notwendig, ergänzend Kolostrum/Muttermilch zu gewinnen und dem Baby direkt zu verabreichen, um den Stillbeginn zu unterstützen. Dies kann z.B. zur Stabilisierung des Blutzuckers (s. hierzu auch unsere Fachseite → Hypoglykämie beim Neugeborenen) oder der Prävention einer zu starken Gewichtsabnahme in den ersten 2 - 3 Tagen notwendig sein, sowie auch in Situationen, in denen Mutter und Kind zeitweise voneinander getrennt sind.
Ein nicht effektiv saugendes oder sehr schläfriges Baby profitiert unmittelbar von einigen Tropfen Kolostrum, die ihm z.B. mit einer Spritze, Pipette oder einem kleinen Löffel angeboten werden. Dieser "Energieschub" kann dazu beitragen, dass anschließend das Aufwecken oder ein kräftigeres Saugen gelingt. Gleichzeitig wird die Brust der Mutter durch die zusätzliche Entleerung stimuliert, die Steigerung der Milchmenge wird gefördert und ein milderer Verlauf der Initialen Brustdrüsenschwellung ("Milcheinschuss") unterstützt.
Zum Thema "Muttermilch gewinnen" existiert eine eigene Fachseite mit vertiefenden Informationen:
Grundlegendes Wissen für die Eltern: Basics rund ums Stillen
Mütter benötigen korrekte und praxisnahe Informationen, um gut ins Stillen zu starten.
Dazu gehört grundlegendes Wissen über die folgenden Themen:
• Bedeutung des Stillens für ihre eigene Gesundheit und die gesunde Entwicklung des Kindes
• Bedeutung des intensiven Körperkontakts
• Stillzeichen und Signale des Babys
• Normales Stillverhalten in den ersten Tagen und Wochen
• Anzeichen für Milchtransfer und gutes Gedeihen
• Grundlagen der Milchbildung: wie funktioniert die Brust?
Im günstigsten Fall erhält die Mutter diese Informationen bereits in der Schwangerschaft. Sie wird aber in jedem Fall in den ersten Tagen und Wochen weiterhin Bestärkung und einfühlsames Begleiten benötigen, um sich an sie zu erinnern und Vertrauen in ihre Intuition aufzubauen. Gute Materialien (Flyer und Broschüren, kurze Videos) können die persönliche Beratung ergänzen und als Erinnerungsstütze dienen.
EMPFEHLENSWERTE MATERIALIEN FÜR DIE ELTERNARBEIT
Viele gute Materialien sind auch in anderen Sprachen verfügbar. Wir haben für Sie auf einer Fachseite verschiedene Links und Tipps für die Arbeit mit Migrantinnen und ihren Familien zusammengestellt: