Erwerbstätigkeit und Stillen
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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 5/2022
Weltweit gesehen leisten Frauen etwa 50% der globalen Arbeit, mehr als die Hälfte dieser Frauen befindet sich im gebärfähigen Alter. Die Geburt eines Babys führt damit zu einer Mehrfachbelastung, weil die Betreuung und das Stillen des Säuglings zu der vorherigen bezahlten oder auch unbezahlten Arbeit (Haushalt, Betreuung von Familienangehörigen, ehrenamtliche Tätigkeiten) hinzu kommt. Besonders schwierig ist die Situation für Frauen in Entwicklungsländern, aber auch für Frauen in den westlichen Ländern ist die Rückkehr in den Beruf nach der Elternzeit / Elternkarenz mit großen Fragen und Herausforderungen verbunden.
Zeitpunkt und Ausmaß der Erwerbstätigkeit sind im deutschsprachigen Raum sehr verschieden. Vor allem Selbstständige oder Frauen in leitenden Positionen kehren in der Regel früher in die Erwerbstätigkeit zurück, der Großteil der Mütter dagegen erst zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr. In jedem Fall ist es wichtig, dass Frauen, die stillend in den Beruf zurückkehren wollen, von Familie, Gesellschaft und Arbeitgeber:innen dabei unterstützt werden. Auch den Still- und Laktationsberater:innen IBCLC kommt dabei eine bedeutende Rolle zu, indem sie Mütter bei der Planung von geeigneten Schritten zur Vereinbarkeit von Stillen und Beruf unterstützen.
Für alle ein Gewinn
Längere Stillzeiten sind für alle Beteiligten ein Gewinn. Gesundheitlich profitieren Mütter und Kinder von der längeren Stilldauer, aber auch Arbeitgeber:innen haben einen Vorteil, denn gestillte Kinder sind seltener krank und dadurch kommt es zu weniger Ausfallzeiten der Eltern. Bleibt das Stillen trotz beruflicher Tätigkeit erhalten, so hilft dies auch anfänglich die Trennung von Mutter und Kind leichter zu überwinden, da in der gemeinsamen Zeit das Stillen von vielen Mutter-Kind-Paaren als tröstlich und etwas ganz Besonderes erlebt wird.
Auflösung der klassischen Rollenbilder
In einigen Teilen der Welt war die Rollenverteilung in der Familie des 20. Jahrhunderts klar geregelt: während sich die Frau um die Kinder und den Hauhalt kümmerte, ging der Mann zur Arbeit um das Geld zu verdienen. Mehr und mehr brechen diese alten Rollenbilder nun auf – was auf der einen Seite ein größeres Maß an Freiheit mit sich bringt, kann auf der anderen Seite aber auch überfordern. Familien müssen viele Entscheidungen treffen, die Betreuung der Kinder muss geregelt und die Arbeitszeiten der Eltern kompatibel sein.
Wieder arbeiten zu können bedeutet vielfach ein Stück Unabhängigkeit und Ausgleich zum Muttersein. Die berufliche Tätigkeit führt auch zu einer besseren finanziellen Gleichstellung der Partner:innen. Die Auflösung der klassischen Rollenbilder von Mann und Frau ist aber nicht automatisch eine Entlastung: viele Frauen leiden stark unter der Mehrfachbelastung, da Haushaltspflichten und die Organisation aller Belange rund um das Kind noch immer zum größten Teil durch Frauen abgedeckt werden. Stichworte wie Care-Arbeit und Mental-Load sind daher wichtige Ausgangspunkte für gesellschaftliche und politische Debatten.
Vorbereitungen für den Wiedereinstieg wenn die Mutter noch stillt
In den meisten Fällen ist das Kind beim Wiedereinstieg bereits im Beikostalter oder auch älter als ein Jahr. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, bereits einige Monate vor Arbeitsbeginn in Kontakt mit dem/der Arbeitgeber:in zu treten und sie/ihn über die weiterhin bestehende Stillbeziehung zu informieren. Leider ist dies manchmal in der Praxis auch mit Nachteilen verbunden, weshalb sich manche Frauen entscheiden, ihre Stillbeziehung nicht beim Arbeitgeber zu thematisieren. Als Fachkräfte unterstützen und ermutigen wir stillende Mütter, ihre gesetzlichen Rechte zu kennen und auch selbstbewusst zu vertreten. Dazu erhalten Sie weiter unten auf der Seite nähere Informationen.
Praktische Überlegungen für ein größeres Stillkind:
- Je nachdem, wieviel Beikost das Kind bereits erhält und wie häufig tagsüber noch gestillt wird, ist es oft möglich, die Abwesenheit der Mutter auch ohne Abpumpen von Muttermilch zu überbrücken
- Sollte die Brust spannen, kann zur Entlastung von Hand etwas Milch gewonnen werden, ohne das Ziel der Aufbewahrung für das Kind
- Meist wird in den Abend-, Nacht- und Morgenstunden weiterhin gestillt, an den Wochenenden oder Ferientagen stillt das Kind manchmal auch tagsüber, ohne dass die Brust dadurch große Veränderungen durchläuft
- Ein größeres Stillkind wird meistens nicht mehr zu den gesetzlich zustehenden Stillzeiten zur Mutter gebracht, die Stillzeit kann jedoch oft an den Anfang oder das Ende der Arbeitszeit gelegt werden, so dass die Mutter später beginnen oder früher nach Hause gehen kann
Möchte eine Mutter bereits innerhalb der ersten Monate nach der Geburt wieder arbeiten, ist es hilfreich, sich bereits in der Schwangerschaft über die zukünftige Situation Gedanken zu machen und Vorbereitungen zu treffen.
Praktische Überlegungen für ein ausschließlich gestilltes Kind:
- Es ist sinnvoll, grundlegendes Wissen über die Bildung von Muttermilch und dem System von Angebot und Nachfrage zu haben
- Wenn eine Mutter ihr Baby mit abgepumpter Muttermilch ernähren möchte, ist es sinnvoll, ca. 1 - 2 Wochen vor Arbeitsantritt mit dem Entleeren der Brust per Hand oder mit Hilfe einer Milchpumpe zu beginnen
- Die Mutter und die Betreuungspersonen benötigen Informationen zum hygienischen Umgang und zur Aufbewahrung von abgepumpter Muttermilch
- Die Familie benötigt Informationen über alternative Fütterungsmethoden sowie die bindungsorientierte Flaschenfütterung
Die Suche nach geeigneten Betreuungspersonen kann herausfordernd sein. Entscheidend ist, dass das Kind von liebvollen, zugewandten Menschen bindungsorientiert und auf seine Bedürfnisse eingehend betreut wird. Die Forderung, die manchmal von professioneller Seite gestellt wird, dass ein Kind abgestillt sein müsste, damit die Betreuungsperson eine Bindung mit ihm aufbauen könnte, ist wissenschaftlich nicht haltbar und hat in der modernen Pädagogik nichts verloren.
Säuglinge und Kleinkinder können Bindung zu mehr als einer Bezugsperson aufbauen, wenn verlässliche und liebevolle Zuwendung gegeben sind.
Väter sind in modernen Familien nicht länger nur "Helfer" oder "Unterstützer" – sie sind Partner auf Augenhöhe, die gemeinsam mit der Mutter Verantwortung für ihr Kind übernehmen. Dies schließt auch ein, dass im Fall eines Ausfalls der externen Kinderbetreuung nicht automatisch die Mutter sich frei nehmen muss. Väter und Mütter sind gleichermaßen wichtige Ansprechpartner für Kindertagesstätten, Schulen oder andere Betreuungseinrichtungen und können ebenso wie die Mutter die Eingewöhnung des Kindes, das Abholen, den Besuch von Elternabenden oder anderen Veranstaltungen übernehmen – vollkommen unabhängig von der Frage, ob die Mutter das Kind noch stillt oder nicht.
Vertiefende Informationen zu einigen der oben beschriebenen Aspekte finden Sie auf unseren folgenden Fachseiten:
Länderspezifische Regelungen
Die gesetzlichen Mindeststandards für Stillende wurden 1992 durch die EU-Richtlinie 92/85/EWG im europäischen Raum festgelegt. Dennoch gibt es im deutschsprachigen Raum einige länderspezifische Unterschiede:
Regelungen für Stillende in Deutschland
Die gesetzliche Grundlage für Angestellte bietet das Mutterschutzgesetz, für Beamtinnen, Richterinnen und Soldatinnen sind es die Mutterschutzverordnungen.
Die Schutzbestimmungen für Stillende gelten bis zum vollendeten 12. Lebensmonat des Kindes. Der/die Arbeitgeber:in hat eine stillende Frau auf ihr Verlangen während der ersten 12 Monate nach der Entbindung für die zum Stillen erforderliche Zeit freizustellen, mindestens aber 2x täglich für eine halbe Stunde oder 1x täglich für eine Stunde.
Bei einer zusammenhängenden Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden soll auf Verlangen der Frau 2x eine Stillzeit von mindestens 45 Minuten oder, wenn in der Nähe der Arbeitsstätte keine Stillgelegenheit vorhanden ist, 1x eine Stillzeit von mindestens 90 Minuten gewährt werden. Die Arbeitszeit gilt als zusammenhängend, wenn sie nicht durch eine Ruhepause von mehr als zwei Stunden unterbrochen wird.
Ebenso gelten ähnlich wie in Österreich besondere Schutzbestimmungen in Bezug auf Gefahrenstoffe sowie eine maximale Arbeitsdauer von 8,5 Stunden pro Tag und ein Sonn- und Feiertagsarbeitsverbot.
Rat und Informationen erhalten Mütter über das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Die aktuelle Broschüre → Leitfaden zum Mutterschutz kann als PDF herunter geladen werden.
Darüber hinaus ist es möglich, über betriebliche Gewerkschaften, sofern diese vorhanden sind, Hilfe und Unterstützung zu erhalten.
Regelungen für Stillende in Österreich
In Österreich gilt für alle Angestellten und SVS-Versicherten das Mutterschutzgesetz. Ausgenommen sind Bedienstete von Land, Bund und Gemeinde, sofern sie nicht in einem Betrieb angestellt sind. Ebenfalls ausgenommen sind alle Arbeitnehmerinnen, die dem Land- und Forstwirtschaftsgesetz unterliegen, für sie gelten die jeweiligen länderspezifischen Mutterschutzverordnungen.
Anders als in Deutschland sind die Schutzbestimmungen für Stillende nicht durch das Alter des Kindes begrenzt.
Die wichtigsten Punkte aus dem österreichischen Mutterschutzgesetz sind:
Meldungspflicht
Jede Frau, die stillt, ist verpflichtet, dies dem/der Arbeitgeber:in zu melden. Ebenso verpflichtend ist die Meldung, wenn die Frau nicht mehr stillt. Eine Bestätigung von einem Arzt/ Ärztin oder einer Elternberatungsstelle kann verlangt werden.
Schutz bei Gefahren
Ähnlich wie in der Schwangerschaft gelten für Stillende einige Beschäftigungsverbote. Besteht die Gefahr von Einwirkungen durch gesundheitsschädliche Stoffe, Strahlen oder Substanzen, so ist die Durchführung der Arbeit in jedem Fall unzulässig. Das Arbeiten mit biologischen Stoffen ist im Gesetz nicht explizit ausgeschlossen. Im Zweifelsfall sollte sich eine betroffene Mutter an das zuständige Arbeitsinspektorat wenden, dieses kann eine rechtsgültige Entscheidung über die Zulässigkeit treffen.
Beschäftigungsverbote
Es ist untersagt, Stillende für besonders schwere oder unzumutbar belastende Arbeiten heranzuziehen. Dazu gehört z.B.: das Heben von schweren Lasten (gleiche Regelung wie in der Schwangerschaft), Akkordarbeit oder das Arbeiten mit gesundheitsgefährlichen Stoffen.
Kann die stillende Mutter aufgrund der Bestimmungen ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausführen, so hat der/die Arbeitgeber:in dafür zu sorgen, dass eine andere Tätigkeit gefunden wird. Ist eine Änderung der Arbeitsbedingungen nicht möglich oder zumutbar, ist die Dienstnehmerin von der Arbeit freizustellen.
Eine weitere Einschränkung besteht bei den Dienstzeiten. Dazu gehört das Verbot der Nachtarbeit, das grundsätzlich von 20 Uhr bis 6 Uhr gilt. Ausgenommen sind Arbeitnehmerinnen in bestimmten Berufen, wie zum Beispiel Pflegende oder Schauspielerinnen, hier gelten erweiterte Zeiten. Ebenso ist es untersagt, Stillende an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen zu beschäftigen. Ausnahmeregelungen gibt es hier für Betriebe, bei denen Sonn- und Feiertagsarbeit unerlässlich oder üblich ist. Das Arbeitsinspektorat kann im Einzelfall auf Antrag des Dienstgebers Ausnahmen bewilligen.
Überstunden
Die maximal zulässige Arbeitsdauer beträgt pro Arbeitstag 9 Stunden und pro Woche 40 Stunden. Darüber hinaus darf eine stillende Frau zu keiner Leistung von Überstunden herangezogen werden.
Ruhezeit
Genau wie in der Schwangerschaft ist es einer Stillenden zu ermöglichen, sich unter geeigneten Bedingungen hinzulegen und auszuruhen.
Stillzeit
Stillende Mütter haben das Recht auf bezahlte Pausen während der Arbeitszeit, um ihr Kind zu stillen oder Milch abzupumpen. Die gesetzlichen Angaben sind Mindestzeiten. Der stillenden Mutter ist grundsätzlich die erforderliche Zeit freizugeben, die auch über das Mindestausmaß hinausgehen kann. Der gesetzliche Anspruch auf eine Stillzeit beträgt bei Arbeitszeit von mehr als 4,5 Stunden 45 Minuten und bei einer Arbeitszeit von mehr als 8 Stunden 2x45 Minuten. Wenn sich in der Nähe der Arbeitsstätte keine geeignete Stillmöglichkeit bietet, können die 2x45 Minuten auch zusammen als 90-minütige Stillzeit konsumiert werden. Durch die Stillzeit darf kein Verdienstausfall entstehen und diese Zeit darf weder vor- noch nachgearbeitet werden.
Zu welcher Uhrzeit die Stillzeit konsumiert werden kann, sollte im Einvernehmen mit dem/der Arbeitgeber:in erfolgen. Auf keinen Fall kann die Frau ihre Stillzeit selbstständig festlegen, im Streitfall kann der Entscheid über die Uhrzeit von der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde bestimmt werden. Da das Gesetz von einer Stillzeit und nicht von einer Stillpause spricht, wäre es z.B. auch möglich, die Stillzeit am Ende des Arbeitstages anzutreten. Man könnte daher auch um 45 Minuten oder 90 Minuten früher nach Hause gehen, um das Kind stillen zu können.
Information und Unterstützung werden in Österreich von der Arbeiterkammer angeboten. Dazu ist auch die Informationsseite → der Arbeiterkammer empfehlenswert.
Regelungen für Stillende in der Schweiz
In der Schweiz sind die jeweiligen Schutzbestimmungen in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. Das Arbeitsgesetz (ArG) regelt die zeitlichen Einschränkungen der Beschäftigung, spezielle Anforderungen an den Arbeitsplatz und die Arbeitstätigkeit die Arbeitszeit während des Stillens. Das Erwerbsersatzgesetz (EOG) stellt den Lohnersatz bei Mutterschaft sicher (Mutterschaftsversicherung). Das Obligationenrecht (OR) schützt in wirtschaftlicher Hinsicht (Lohnfortzahlung, Kündigung). Das Gleichstellungsgesetz (GlG) verbietet jegliche Diskriminierung der Frau in Bezug auf eine aktuelle, künftige oder zurückliegende Schwangerschaft. Die Mutterschutzverordnung beschreibt u.a. Substanzen und Aktivitäten mit erhöhtem Gefährdungspotenzial für Mutter und Kind.
Die Stillzeit gilt in folgendem Umfang als bezahlte Arbeitszeit: bei einer täglichen Arbeitszeit von
≤ 4 Std. = 30 Minuten
> 4 Std. = 60 Minuten
> 7 Std. = 90 Minuten.
Bis 52 Wochen nach der Geburt ist stillenden Müttern die erforderliche Zeit zum Stillen freizugeben. Ohne anderslautende Abmachung zwischen dem/der Arbeitgeber:in und der betroffenen Arbeitnehmerin wird die benötigte Stillzeit nicht als Arbeitszeit angerechnet.
Diese Zeiten können je nach den Bedürfnissen des Kindes am Stück oder verteilt bezogen werden. Die Arbeitnehmerin verfügt unabhängig davon, ob sie im Betrieb stillt oder den Arbeitsplatz zum Stillen verlässt, über dieselbe bezahlte Stillzeit. Diese Bestimmung gilt auch für Frauen, die ihre Milch abpumpen. Der/die Arbeitgeber:in kann eine Stillbestätigung verlangen.
Weitere nützliche Informationen sowie Broschüren sind online auf der → Homepage des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) nach zu lesen.