Schmerzlindernde Maßnahmen bei Neugeborenen
Anlage zum EISL-Newsletter November 2022
The Effects of Breastfeeding and Breast Milk Taste or Smell on Mitigating Painful Procedures in Newborns: Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials
Zühal Çamur and Çiğdem Erdoğan. Breastfeeding Medicine 2022 17:10, 793-804. DOI: https://doi.org/10.1089/bfm.2022.0134
Das wichtigste in Kürze:
- Neugeborene, die stationär aufgenommen werden müssen, werden oft schmerzhaften medizinischen Eingriffen ausgesetzt. Auch für gesunde Neugeborene sind Maßnahmen wie die routinemäßige Fersenblutabnahme oder Impfungen im Säuglingsalter notwendige, aber schmerzhafte Erfahrungen. Bereits seit Jahren gibt es verschiedene Studien zur Frage, wie dabei möglichst schmerzarm vorgegangen werden kann.
- Stillen, Haut- und Körperkontakt sowie Geruch und Geschmack von Muttermilch gehören zu den Maßnahmen, die bereits mehrfach als erfolgsversprechend untersucht wurden.
- Eine aktuelle Meta-Analyse hat das Thema nun erneut aufgegriffen und konnte zeigen, dass Stillen und Muttermilchgabe sowohl während als auch nach einem schmerzhaften medizinischen Eingriff effektive Maßnahmen darstellen, die das Schmerzempfinden und den Stresslevel der Neugeborenen reduzieren.
Immer wieder haben in den vergangenen Jahren Studien gezeigt, dass schmerzhafte Eingriffe bei Neugeborenen/ Frühgeborenen und kranken Säuglingen durch verschiedene einfache Maßnahmen erträglicher gestaltet werden können. Stillen während und nach einem Eingriff, Haut- und Körperkontakt sowie das Riechen und Schmecken von Muttermilch reduzieren Unruhe und Weinen des Säuglings, verringern Herzfrequenz und Cortisolspiegel und verbessern die Sauerstoffsättigung. Wir haben dazu bereits mehrfach berichtet:
Die aktuelle Meta-Analyse beschäftigte sich mit dem Effekt der Auswirkungen des Stillens und des Geschmacks oder Geruchs von Muttermilch auf die Linderung schmerzhafter Eingriffe bei Neugeborenen.
Neugeborene, die auf der NICU stationär aufgenommen werden, sind durchschnittlich 10 schmerzhaften Eingriffen pro Tag ausgesetzt. Die schmerzbezogenen Erfahrungen können lebenslange Auswirkungen haben, wie einige Studien bereits zeigen konnten.
Der Zweck der Meta-Analyse war, die analgetischen Wirkungen von Stillen, der Gabe von abgepumpter Muttermilch und des Muttermilchgeruchs auf Neugeborene zusammenzufassen.
9 Studien aus den Jahren 2000 bis 2021 wurden nach einer systematischen Datenbanksuche schließlich für die Meta-Analyse qualifiziert. Alle drei Maßnahmen (Stillen, Muttermilchgeruch, Muttermilchgeschmack) zeigten sich deutlich effektiv auf die Schmerzlinderung während und nach medizinischen Eingriffen:
- mittlere Effektstärke auf die Herzfrequenz, wenn während des Eingriffs gestillt oder Muttermilch gegeben/gerochen wurde
- hohe Effektstärke auf die Herzfrequenz, wenn nach dem Eingriff gestillt oder Muttermilch gegeben/gerochen wurde
- hohe Effektstärke auf die Sauerstoffsättigung, wenn während des Eingriffs gestillt oder Muttermilch gegeben/gerochen wurde
- mittlere Effektstärke auf die Sauerstoffsättigung, wenn nach dem Eingriff gestillt oder Muttermilch gegeben/gerochen wurde
Die American Academy of Pediatrics (AAP) hat 2016 in ihrer aktualisierten Empfehlung zur Prävention und zum Management von schmerzhaften Eingriffen bei Neugeborenen klargestellt, dass jede Einrichtung, die Neugeborene betreut, ein wirksames Programm zur Schmerzprävention und -reduktion einführen sollte und dass dies pharmakologische und nicht-pharmakologische Maßnahmen enthalten sollte (→ AAP, 2016)
Die aktuelle Meta-Analyse kann hierzu wertvolle Hinweise geben. Die Studie (englisch) ist vollständig verfügbar → hier.
Ergänzender Hinweis:
Im Februar 2022 erschien in der Fachzeitschrift "Laktation & Stillen" ein interessanter → Artikel mit Vorschlägen für die Praxis zu diesem Thema.
© November 2022, Rhiannon Grill, IBCLC
und das EISL-Newsletter-Team:
Anja Bier, IBCLC; Natalie Groiss, IBCLC; Gabriele Nindl, IBCLC; Gudrun von der Ohe, Ärztin und IBCLC