Muttermilch und Formulanahrung im Vergleich

Muttermilch bietet mit ihren zahlreichen bioaktiven Komponenten die optimale Grundlage für Wachstum und Entwicklung von Säuglingen und Kleinkindern. "Sie ist eine unnachahmbare, dynamische Flüssigkeit, deren Zusammensetzung sich innerhalb einer Stillmahlzeit, im Tagesrhythmus und im Laufe der Stillzeit – vom Kolostrum bis zur späten Laktation – ändert und sich an die Bedürfnisse des Kindes anpasst." (Bauer Z. 2020, EISL-Skriptum INTENSIV, 2020/ 2023).

Die Zusammensetzung der Muttermilch wird beeinflusst durch das Stadium der Laktation, das Gestationsalter des Babys, die Dauer einer Stillmahlzeit sowie das Stillverhalten des Kindes – hingegen nur in geringem Maß durch die Ernährung der Mutter. Sogar das Geschlecht des Kindes oder die Tageszeit, zu der gestillt wird, beeinflusst in einem gewissen Rahmen die Zusammensetzung der Muttermilch – spannend! Gleichzeitig ist dieses Wissen für die Praxis nur von geringer Relevanz: selbstverständlich kann abgepumpte Muttermilch jederzeit an das eigene Kind verfüttert werden, unabhängig von der Tageszeit. Und gespendete Frauenmilch ist auch für ein Kind des anderen Geschlechts oder eines anderen Gestationsalters ungeheuer wertvoll. Sie bleibt auch in diesen Fällen jeder Form vonFormulanahrung deutlich überlegen.

Bei Müttern von Frühgeborenen passt sich die Muttermilch in ihrer Zusammensetzung den besonderen Bedürfnissen ihrer Babys an (Preterm-Milch). Der Gehalt an Immunstoffen ist höher, zudem ist die Kolostrumphase verlängert.

Reife Muttermilch besteht zu ca. 88% aus Wasser, welches als Baustoff, Lösungs- und Transportmittel dient. Die Hauptnährstoffe der Muttermilch sind Laktose, Fette und Proteine. Diese werden in den milchbildenden Zellen der Brustdrüse (Laktozyten) durch verschiedene Mechanismen synthetisiert.

Art und Zusammensetzung der Hauptbestandteile der Muttermilch unterscheiden sich deutlich von industriell hergestellter Nahrung. So ist z.B. der Eiweißgehalt im Vergleich zur Formulanahrung niedriger. Dies ist für den Säugling optimal, da Nieren und Kreislauf nicht belastet werden. Die vorhandenen immunspezifischen Stoffe, wie Laktoferrin, Lysozym, sIgA und Alpha-Lactalbumin haben eine entscheidende Rolle bei der Immunabwehr.
Als Hauptkohlenhydrat der Muttermilch dient die Laktose. Sie liefert Energie für das schnelle Gehirnwachstums und die optimale Entwicklung des zentralen Nervensystems. Zu den Kohlenhydraten zählen ebenfalls die Oligosaccharide. Diese komplexen Mehrfachzucker fördern die Organreifung, belegen die Bindungsstellen von pathogenen Keimen, wirken dadurch teilweise antibakteriell und fördern durch den sogenannten Bifidusfaktor die Entwicklung eines gesunden Mikrobiom des Darms.
Fett dient nicht nur als größter Kalorienlieferant, sondern besteht zu einem Großteil aus langkettigen ungestättigten Fettsäuren (Long Chain Polyunsaturated Fatty Acids = LC PUFA) wie z.B. die Arachidon- und Docosahexaensäure (DHA).

Der Deutsche Hebammenverband hat Anfang 2022 seine detaillierte und zugleich kompakte Übersicht über die Inhaltsstoffe von Muttermilch und Formula überarbeitet. Wir freuen uns, dass der Hebammenverband uns das Dokument zum Download zur Verfügung gestellt hat:

Formulanahrung wird dank moderner Forschung und Technik, so weit es möglich ist, den Bedürfnissen von Säuglingen immer besser angepasst. Trotz intensiver Bemühungen bleibt Muttermilch in ihrer Zusammensetzung unnachahmbar. Der Einsatz von Muttermilchersatzprodukten soll, wie z.B. im sogenannten "WHO-Kodex" gefordert, sachgemäß, nur mit Aufklärung und nur dort wo sie medizinisch begründet gebraucht werden, erfolgen. Lesen Sie mehr dazu auf unserer Fachseite

Die agressive und unangemessene Vermarktung der Hersteller-Firmen erzeugt häufig ein verzerrtes Bild. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Formulanahrung bei Bedarf verfügbar ist, Eltern jedoch eine umfassende Aufklärung erhalten um eine sachlich fundierte Entscheidung treffen zu können.
Stillen ist die biologische Norm – jede Abweichung davon sollte gut überlegt werden.

Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) veröffentlicht immer wieder Statements, die sich mit verschiedenen Bestandteilen industriell hergestellter Säuglingsnahrungen beschäftigt, insbesondere mit Inhaltsstoffen, die von den Herstellern neu hinzugefügt werden und eine bestimmte Wirkung erzielen sollen. Das BfR überprüft dabei wissenschaftlich Risiken und Chancen dieser Zusatzstoffe.
Zuletzt hat das BfR im Jahr 2020 ihre beiden Stellungnahmen aus 2014 und 2015 zu diesem Thema aktualisiert:

Die Stiftung Ökotest und der Verein für Konsumenteninformation (Österreich) untersucht regelmäßig Formulanahrung auf Schadstoffe und testet immer wieder verschiedene Anfangsnahrungen im direkten Vergleich. In den letzten Jahren hatten vor allem sogenannte Fettschadstoffe für Bedenken gesorgt, diese wurden zwischenzeitlich von einigen Herstellern deutlich verringert. Aktuell macht vor allem eine erhöhte Belastung mit gesättigten Kohlenwasserstoffen, sowie Mineralöl- und Kunststoffbestandteilen Sorgen.
Den aktuellen Bericht von ÖKO-TEST (2022 & 2021) und Konsument (2022) finden Sie hier:

Im Sommer 2022 wurde die → AWMF-S3-Leitlinie zur Allergieprävention aktualisiert und sorgt seither für ein Wiederaufflammen der Diskussion rund um die Energiesupplemente. Unsere aktuelle Stellungnahme dazu finden Sie hier:

Die Empfehlungen der European Food Safety Authority (EFSA) zur Zusammensetzung von Säuglings- und Folgenahrungen sind für den gesamten europäischen Raum maßgeblich und nationale Gesetzgebungen sollen an diese angeglichen werden.
Umfangreiche Informationen, sowie eine Übersicht der erstellten Beiträge, finden Sie hier:

Wenn eine Formulanahrung verwendet wird, benötigen junge Familien grundlegende Informationen zur Zubereitung und zu den Unterschieden der verschiedenen Säuglingsnahrungen.
Informationen dazu finden Sie auf unserer EISL-Fachseite → Begleitung von Eltern, die ihr Kind mit der Flasche füttern